1/1 Erwacht mit Kopfschmerzen; Zeitung gelesen,
Olga Maiglöckchen (eingepflanzt) zum Neujahr; allein spazieren, bei schönem kalten Wetter,
über die Felder nach
Pötzleinsdorf,
Salmannsdorf,
Dornbacher Park. Versucht die schwere Scene des
Medardus durchzudenken; ging nicht; später ging mir eine Novelle durch den Kopf (
Doctor Tennhardt) – endlich überlegte ich das vergangne Jahr, Thatsachen, Beziehungen, Resultate.
Einzige absolute Beziehung:
Olga und
Heini. Brüderlichzärtlich-schüchtern zu
Julius; herzlich schwesterlich zu
Gisa; unveränderlich nervös-sentimentale zu
Mama.
– »Freunde«: dauernd gut in gegenseitigem herzlichem Respekt – zu
Richard; ohne tieferes Bedürfnis häufigen Zusammenseins . . . zu
Hugo kühl-humoristisch-bewunderungsvoll; und sein Verhältnis zum »
Weg ins freie« war ein tiefes Symptom – es gibt eine Art Gipfelgrüßen zwischen uns und ein gemeinsames
lustiges Spazieren in Thälern – unsre Wege gehen getrennt.– Das Verhältnis zu
Salten ist irreparabel. Tiefster Grund seinerseits: er erträgt es nicht, so völlig gekannt
zu sein. Dazu sein Gefühl, daß ich ihm im Licht stehe – (daran daß mein (übrigens
im wesentlichen völlig gleichgiltiges) Verhältnis zu
Kainz nicht wiederhergestellt wurde, trägt
Salten sicher mit Schuld – in einer nicht zu fassenden, von ihm sicher nie (vielleicht auch
sich selbst nicht) eingestandnen Art).– Und endlich schlechtes Gewissen;– zeigt sich
auch darin, daß er (andern gegenüber) versucht mir Schuld zu geben – ich hätte ihn
vernachlässigt (die Wahrheit ist, daß ich ihn vielleicht ein halbes Dutzendmal besucht
hatte, ohne daß er mir erwiderte). Heiter-ironisch-freundschaftliches Verhältnis zu
Wassermann. Verhalten-herzlich-reines zu
Arthur Kaufmann. Innerlich klare aufrichtig freundschaftliche Beziehung mit
Bahr (den ich nie spreche), gleiches zu
Burckhard.–
Auernheimer,
Trebitsch kommen, trotz gelegentlicher Begegnung nicht in Betracht.– Aus allerlei Fernung kommt
auch manches Zeichen stärkerer Sympathie (
Toldy z. B.) –
Vielerlei wurde in diesem Jahr begonnen; wirklich vollendet nichts. Die beiden ersten
Akte von
Prof. Bernhardi und des
Verführers wurden flüchtig skizzirt; die ganzen Stücke (z. Th. früher) szenirt. Im Sommer wurde
die fünfactige Skizze zum
Weiten Land niedergeschrieben; am 26. October der
Medardus ernstlich begonnen, und die neue Skizze nähert sich dem Schluß. Doch scheint mir
die Sache, nach der praktischen Seite besonders, nicht aussichtsvoll, da die Schwierigkeiten
der Aufführung außerordentlich sein würden.– Die Pläne zur
Prinzessin Sibylle, zu den
Geschwistern, reiften; auch zu etlichen Einaktern. Novellistisch die
Hirtenflöte, die als ganzes noch unfertig auch in dieser Skizze noch nicht zu Ende dictirt ist.–
In Aussicht stehend die Aufführung der
Comtesse Mizzi (zusammen mit der
Liebelei) am
deutschen Volkstheater. Die Pantomime »
Der Schleier der Pierette« ist von
Dohnanyi componirt; gleiches widerfährt eben dem Singspiel »
Der tapfre Cassian« durch
Oscar Straus – in den
Kammerspielen sollen diese beiden Werkchen ihre Laufbahn beginnen.– In
Turin ist neulich (zusammen mit einem Einakter von
Claretie)
letzte Masken und
Abschiedsouper gegeben worden; nur letztres mit dem üblichen Erfolg.
Liebelei,
Abschiedsouper bleiben nach wie vor die einzigen meiner theatralischen Producte, derer das Publicum
nicht müde wird; auch der
Kakadu flattert manchmal auf. Der
Puppenspieler wird selten, aber dann immer mit Respekt empfangen. Auch
Freiwild und
Vermächtnis leben noch ein ganz klein wenig. Das
Puppenspiel vom
Cassian hat bei Kennern Anwerth gefunden. Der
einsame Weg wird oft gelobt und selten gespielt; Herr von Sala erscheint (besonders bei
Poppenberg) als eine Figur, die sich wie zu wirklichem körperlichen Dasein durchgesetzt hat.
Zwischenspiel erhält sich mäßig, und auch der
Grillparzerpreis, der ihm unverdienter Maßen zufiel hat es nicht zu erheblich stärkerem Leben gesteigert.
Der
Ruf des Lebens setzt sich vorläufig nicht durch.–
Als Erzähler behaupte ich mich besser wie als Dramatiker; die Novellenbücher werden
geschätzt und immer neu aufgelegt; der
Weg ins freie viel discutirt, von wenigen ganz verstanden, fand sich in einer Atmosphäre von Unaufrichtigkeit
aufgenommen; Böswilligkeit und Verlogenheit machten sich damit zu schaffen; ehrlicher
Enthusiasmus und parteiliche Anerkennung sahen sich zuweilen zum Verwechseln ähnlich;
der buchhändlerische Erfolg war stark, und im ganzen kam das Buch dem Ansehn meines
Namens sehr zu statten. An der Stelle, die ihm gebührt wird der Roman erst in der
reinern Atmosphäre späterer Jahre sich behaupten.–
Mit meinem Arbeitsfortgang im ganzen bin ich nicht recht zufrieden; es mangelt an
absoluter Concentration; hypochondrische und begründete Sorgen stören den reinen Lauf
der Gedanken. Jener nicht ganz Herr werden zu können ist natürlich nichts als ein
Talentmangel; wo das Hindernis war, bleibt am Ende immer gleichgiltig – der Künstler
hat sich mit den Resultaten auszuweisen.–
– Weitre Versuche zum
Medardus.
Zeitungen gelesen, Manuscript Gedichte eines gewissen
Domenico Wölfel;
Penthesileia (von Frl.
Leo Hildeck).–
Baron
Karg, aus
St. Johann, zu Besuch da; der Bruder des verstorbnen
Edgar; erzählte von seinem Leben in der Bezirkshauptmannschaft, Commissionen, Sehnsucht
nach
Wien; anmutlos, ja durch sein Organ enervirend.