Arthur Schnitzler an Hermann Bahr, 3. 1. 1902

3. 1. 902
Berlin

lieber Hermann, ich habe Brahm gesprochen, er äußerte sich anerkennend über den Krampus, findet nur, dass gerade das Deutsche Theater nicht der rechte Boden für das Stück sei. Ich glaube also nicht, dass er zu der Aufführg nach Hamburg fahren wird, hielte es aber doch für ganz gut, wenn du ihn unverbindlich mit ein paar Worten dazu einladen möchtest. Gegen deine Bemerkung über den literar. Stempel, den doch erst das Deutsche Theater verleihe (die ihm mitzutheilen ich mich wohl für befugt halten durfte?) schien er nicht unempfindlich zu sein, und ich zweifle nicht daran, dass er deine nächsten Stücke ohne vorgefasste Meinung lesen wird. Ich bin übrigens morgen Nachmittag bei ihm und habe sicher Gelegenheit, nochmals in deinem Sinne zu reden. Er gehört doch, bei allen Begrenztheiten und Eigensinnigkeiten zu den weitaus verständigsten Theatermenschen (vielleicht auch Menschen schlichtweg –), die es gibt, und ist derjenige, mit dem man am gradlinigsten und verläßlichsten verkehren kann. Man darf von ihm sagen, dass er nie lügt. Du solltest dich einmal persönlich mit ihm aussprechen. Wenn er nicht nach Hamburg kommt, vielleicht besuchst du ihn auf der Hin- oder Rückfahrt? –
Dieser Tage sprach ich Harden, der jetzt sehr gegen den kleinen Kraus eingenommen ist und findet, dass ein solches Blatt in Berlin sich nicht halten könnte. Anläßlich der Krausischen Kritik über die veine, in der Kr. von einer angeblich extra von dir (?) gegen ihn hineingedichteten Stelle erzählte, hat er ihm (Harden dem Kraus) eine Karte geschrieben, er müsse gelegentlich diesen Irrthum richtigstellen, da die betreffende Stelle sich im Original fände; – Kraus soll es auch zugesagt haben, aber bisher nicht gethan haben. –
Heute war Generalprobe der Lebendigen Stunden. Sie fiel günstig – für abergläubische Gemüther zu günstig aus. –
Ganz entzückt bin ich von Bassermann. Neulich sah ich ihn als Hjalmar, Sauer als Gregers Werle; ich habe selten so starke schauspielerische Eindrücke erlebt. Die Triesch kann überraschend viel.–
– Ich seh dich hoffentlich bald wieder. Herzlichen Gruss. Dein
Arth Sch