Arthur Schnitzler an Hermann Bahr, 10. 11. 1903

Wien 10. 11. 903.

mein lieber Hermann,

ich danke dir herzlich, dss du die Exc. zu einem so schönen Erfolg gebracht hast u gratulire dir zu dem ganzen Abend. Ich war mit Olga auf d Semmering; darum haben wir dich nicht um Karten gebeten. Ich selbst wäre übrigens keineswegs im Bös-Saal gewesen – denn, du verstehst es gewiss, ich kann mir eigene Sachen vor großem Publikum nicht vorlesen lassen. –
Der Recurs ist prachtvoll. Und ich würde ihn mit Freuden vor die nächste Auflage des Reigen drucken lassen – wenn er nicht so viel Lob über mich enthielte. Man läßt sich gerne an fremden Höfen mit schmetternden Trompetenstößen empfangen – aber man kann sich doch nicht im eigenen Hause feiern lassen . . Doch wäre es zu schade, wenn dieses Meisterstück der Oeffentlichkeit vorenthalten würde. Dass sich in Wien nichts würde anfangen lassen, war vorauszusetzen. Die Kerle sind ja nicht mehr feig, weil ihnen eventuell was geschehen könnte – sondern aus Liebe zur Sache. Wie wärs denn mit dem Ausland? Berliner Tageblatt (oder Vossische?) wären vielleicht zu gewinnen? Wenn kein Tagesblatt, eine Wochen oder Monatsschrift? – Wie immer – ich danke dir und Burckhardt vielmals und wärmstens. Was ist das übrigens für eine Stelle im Lamprecht, die durch die Blätter ging? Ich habe nichts gelesen.
Salten thu ich gewiss nicht Unrecht. Lies nur – wenn es so viel Interesse für dich hat,– meinen ganzen Brief an Salten. Nicht um Lob und Tadel handelt es sich. Das wesentliche für mich bleibt, dass in dem Feuilleton genau die Sachen zu meinen Ungunsten drinstehen – über deren mangelnde Berechtigung sich sein Verfasser Dutzendemale mir gegenüber ausgesprochen. Lies den Brief. – Und das ärgerliche – worüber wir auch so oft gesprochen haben – der Versuch, einem Dichter Gebiete abzustecken – oder zu verwehren. Ich, als einziger Mensch auf der bewohnten Erde, soll nicht mehr das Recht haben, erotische Beziehungen zu schildern, oder unverehelichte junge Damen darzustellen? – Es werden nach mir noch etwa hunderttausend Bücher von Liebe und Liebelei, süßen und sauren Mädeln, und Anatolen und Mäxen geschrieben werden – wie sie vor mir geschrieben worden sind. Und gerade ich bekomm immer sozusagen einen Krach in den Schädel, wenn auch nur aus der Ferne ein Hauch von Erotik über meine Gestalten weht? Und der letzte Krach geht gerade von Salten aus, mit dem gemeinschaftlich ich mich über diese Kräche so oft belustigt und geärgert habe?– Aber lassen wir das auf eventuelle mündliche Unterhaltung.– Ich darf dich wohl dieser Tage wieder in St Veit aufsuchen?
Herzlichst dein getreuer
Arthur.