Mein lieber Hermann, nach so langer Zeit hör ich wieder was von dir – und da verleihst du mir gleich den Nobelpreis!
Ich fühle ganz wie du: dass Hugo derjenige gewesen ist, der ihn hätte bekommen müssen. Leider könnte ich diesmal nicht
wieder aussprechen – wie seinerzeit als ich (noch dazu für das Zwischenspiel!) den Grillparzerpreis erhielt, dass der eigentlich Hofmannsthal gebühre. Auch damit hast du recht: »melden werd ich mich nicht, vielleicht weniger aus Bescheidenheit, als aus Bequemlichkeit« und einer immer
wachsenden Gleichgiltigkeit gegen alle Arten von äußeren »Ehrungen« u was man so nennt.
Dein »Tagebuch« les ich natürlich immer – so bedürfte es also kaum einer freundlichen persönlichen Bemerkung, – und umso mehr dank ich dir. Ich weiss nicht, ob du meine kleinen Bücher »Geist im Wort und in der That«, u mein Buch der Sprüche u Bedenken erhalten hast – ich würde sie dir gern schicken, auf die Gefahr hin, dass du mit
vielem nicht einverstanden sein wirst.
Es wär schön wenn man einander wieder sähe . . »Einer von uns wird es einmal bedauern . . « wie Hugo immer sagte. –
Ich grüße dich herzlich in alter Freundschaft Dein
Arthur
Kommentar
Grillparzerpreis erhielt] 1908, vgl. Kommentar zu .
freundlichen … Bemerkung] Bahr ließ regelmäßig seine Kolumne den darin behandelten Personen zukommen. Diese Textstelle
deutet an, dass das Tagebuch. 10. Januar in einer Fassung mit einem handschriftlichen Gruß im Besitz Schnitzlers gewesen sein dürfte. In seinen Zeitungsausschnitten (heute in Exeter) findet sich aber nur ein Abzug, auf dem sich außer einem Datumsvermerk von Schnitzler keine Beschriftung findet (University of Exeter, Schnitzler Press Cuttings Archive, Box 42/2).
. In: Arthur Schnitzler: The Letters of Arthur Schnitzler to Hermann Bahr. Edited,
annotated, and with an introduction, by Donald G. Daviau. Chapel Hill: The University
of North Carolina Press 1978, S. 116–117 (University of North Carolina studies in
the Germanic languages and literatures, 89).
Wien (K.K. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien, Bécs, Land Wien, Vídeň, Wenia, Beč, Vindobona (Wien), Vienna)
Zitiervorschlag
Arthur Schnitzler an Hermann Bahr, 16. 2. 1930. In: Hermann Bahr – Arthur
Schnitzler: Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente (1891–1931).
Hg. Kurt Ifkovits, Martin Anton Müller, Stand 27. 9. 2024, https://hdl.handle.net/21.11115/0000-000E-85FD-F.
Quelle: Hedy Kempny und
Arthur Schnitzler: Das Mädchen mit den dreizehn Seelen. Eine Korrespondenz
ergänzt durch Blätter aus Hedy Kempnys Tagebuch sowie durch eine Auswahl ihrer
Erzählungen. Hg. v. Heinz P. Adamek. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt
1984. (Neue Frau)