Hermann Bahr an Alois Bahr, 1. 12. 1896

1. December 1896

Lieber Vater!

Nun ist der Winter mit Macht eingebrochen und es scheint, daß wir es heuer kalt kriegen soll. Das Bild von meiner Wohnung aus, wenn ich so in den weiten Park mit Schnee und auf die grauen Statue schaue, ist herrlich. Und ich denke dabei oft an Dich, Jugenderinnerungen an Salzburg hegend, wo man ja im Winter, wies schneit, wenn man auf der Brücke steht, einen so reichen, netten Blick auf den weißen Untersberg hat. Da denke ich mir Dich behaglich wandelnd, aller Sorgen frei, ganz dem Genuß schöner Tage hingegeben und freue mich mit Dir, wie schön das sein muß. Ich wünsche Dir nur, die Nachwehen Deiner Krankheit mögen bald vergehen und so möge sich zu dem inneren Behagen auch bald die äußere Gesundheit gesellen.
Ich lebe so in meiner stillen Arbeit fort. Gäste haben wir oft: Burckhard, die Sandrock, Girardi mit der Odilon, Baron Berger, Bildhauer Weyr, Baurath Roth, Julius Bauer, Schnitzler, den Albert Rothschild, den dicken Baron Springer u. was so an Berühmtheiten gerade durch Wien durchkommt: Sudermann, Max Halbe, Wolzogen. Ausgehen thu ich selber fast nie. Wer mich gern hat, ist mir willkommen; aber er darf nicht verlangen, daß ich zu ihm gehe.
So habe ich mir ein Leben von frohen Festen nach sauren Wochen eingerichtet, das ich mir kaum mehr anders zu wünschen wüßte; nur einen ganz kleinen Haupttreffer möcht ich noch machen.
Herzlichst
Dein treuer
H