Lieber Richard. Ich freue mich, dass Sie in guter Stimmung sind. Wahrscheinlich werden Sie bald südlicher
gehn; kennen Sie
Riva? Es ist schön, war
mir aber nicht sympathisch. Ich bin von dort nach
Venedig gegangen; es ist so nah. Sie haben
mich falsch verstanden; ich wußte, dass Sie Ende Sept. in
Wien sein wollten. An dieses
Wien hab ich mich noch nicht ganz gewöhnt; empfinde gleich wieder, jetzt wo die alten
Verhältnisse sich aufdrängen, das vielfach unzulängliche, unter dem man zu leiden
hat. Dünne Fäden, mit denen man an mancherlei gebunden ist – dünn, aber doch Fäden. Denken Sie, seit ich hier
bin, bin ich bereits 2mal in der früh
(um (6 oder ½ 7) geweckt worden – von Patienten, nicht vom
Burgtheater. – Am Mittwoch 18. soll
Leseprobe sein; wenigstens ist sie angesetzt.
– Die
S. verhält sich stille; ihre Feindseligkeit hat sie vorläufig nur dadurch ausgedrückt,
dass sie ihrer
russischen Freundin einen Brief schrieb, sie dürfe
mich nicht mehr als Arzt nehmen, wenn sie mit ihr verkehren wolle. Die
russische Freundin kümmert sich nicht drum und läßt sich mit Begeisterung von mir behandeln. –
Bckhrd sprach neulich das erste Mal von der Sache: »Ich hab ja nur zufällig durch den
Bahr von der Sache erfahren . . aber ich werd ihr schon begreiflich machen, dass das beim
Burgtheater nicht geht – besonders
sie . . . Freilich mit Ketten kann ich sie nicht auf die Bühne zerren.« – Man war bei
Besezny, ihm erzählen, wie dumm und ordinär mein
Stück sei. – Unser Freund
J. J. David: Ich werde
vielleicht
durchfallen, der
Schnitzler aber doch ganz gewiss.–
–
Speidel zu
Ebermann über die
Liebelei – »Da werden die
Wiener schaun!« – Ist vom
Anatol äußerst – (ich genire mich »entzückt« zu schreiben.) – Theater:
Alte Wiener, schlechtes Stück von
Anzengruber.
Böse Zungen, lächerliches Stück von
Laube. –
Die
Eltern Hugos
neulich im Kaffeehaus.
Hugo ritt durch
Wien; sie standen beim
Tegethoffmonument und schauten zu. Er war in
Göding sehr unglücklich; die Manöver sollen ihm enorm gefallen haben. Jetzt ist er in
Bruck.– Gesprochen:
Salten oft,
Schwarzkopf einige Mal,
Gold selten,
Bahr (Guten Tag, wie gehts dir denn?) Seine
Frau heute ein Stück begleitet, mich dringlich zum Besuche aufgefordert. Auch
er fährt schon bicycle.–
– Gearbeitet noch gar nichts – schämen Sie sich, dass ich mich nicht vor Ihnen zu
schämen brauche.
Die
Brion soll über uns geäußert haben: Setzen sich in die Prosceniumsloge – und man kriegt kein
Bracelet, nicht einmal eine Einladung zum
Souper! – Quelle unlauter, nemlich
Paul Horn. Dieser tadelt an der
kleinen Komödie die Unmöglichkeit, dass sich ein Mensch wirklich von den Seidenstrümpfen und den
grande marque Cocotten zu einem lieben Vorstadtmädel hingezogen fühlen sollte.–
– Hier regnet es immer – und Sie? – Alles erkundigt sich nach Ihnen; sind Sie stolz?
Leben Sie wohl, lassen Sie schnell wieder was von sich hören, bringen Sie den fertigen
Götterliebling und viel Lust zu neuen Werken mit. Sagen Sie, wie hat denn die
Lou das Alleinfahrenmüssen aufgenommen? Hier ist es »bekannt geworden« dass wir miteinander
nicht über Literatur reden; man findet das höchst anmaßend – »so groß sind sie nicht,
daß sie nicht mehr über Literatur reden müßten.« – Laßt uns lächeln.
Ihr
Arthur Sch
mit vielen herzlichen Grüßen.