ich las Ihren Brief an
Salten. Dass Sie nicht in
München, wußt’ ich, da ich
Bahr sprach. Sie wollen im September hin? Nicht unmöglich, dass ich mich anschließe; denn
ich habe zur Waffenübung keine Einberufung bekommen, u dürfte auch voraussichtlich
keine mehr erhalten.
Vorläufig bleibe ich in
Wien; Mitte August fahre ich vielleicht mit
Mama weg, mache auch event. eine
Bicycletour mit
Salten. Sie müssen
Bic. fahren lernen; ebenso wie
Richard; es ist wirklich ein großes Vergnügen. –
Wien bietet mir jetzt einiges zu thun; eine kleine
Cousine von mir ist schwer krank; die besuch’ ich 1, 2, 3 mal im Tag; dann ab u zu irgend
was andres ärztliches, so dass die Zeit zersplittert ist. Abends zuweilen auf dem Kahlenberg, wo
Mama u
Schwester wohnen oder mit dem
Bic. da oder dorthin.
– Die »lustige«
Novelle hab ich bis auf wenige Zeilen beendet, die ich erst schreiben kann, wenn ich Lust
bekomme, das ganze Zeug wieder durchzulesen. Was ich zunächst schreiben werde, ist
unklar – am liebsten eins meiner im Umriss fertigen 3aktigen Stücke; aber ich stehe
der dramatischen Kunst unglaublich muthlos gegenüber; ja ich hatte in der letzten
Zeit oft die Empfindung, dass ich überhaupt nie ein gutes Stück werde schreiben können. Gestalten u Scenen, einzelne, wären da; aber
mir ist, als hätt’ ich jedes strategische Talent verloren. Vielleicht hatt’ ichs auch
nie – und hab nur aus meinen kleinen Schmerzen die großen
Dreiakter machen können; und seit meinen großen Schmerzen
hab werden mir nur die kleinen Novellettchen gelingen. Wie leicht, wie mühelos hab ich
vor – zehn, zwölf Jahren geschrieben,– es kam zwar nie was gutes heraus; aber ich war damals vielleicht ein echterer »Poet«
als heut. Denn heut nagen an meiner Poesie viele Würmer, z. B. das Leben. –
– Wollen Sie mir nicht Ihre Pläne für den Rest des Sommers mittheilen. Es ist nicht
unmöglich, dass wir uns begegnen können. Jedenfalls schreiben Sie mir einige Zeilen
– oder Seiten, was mir lieber wäre. Beleuchten Sie mit einem »Flähmchen« die ganze Umgebung!