in einigen Tagen werden Sie mein
Stück zugeschickt bekommen. Mit diesem verhält es sich so:
Burckhard, der nicht auf die letzte Abschrift warten wollte, ließ es sich neulich von mir aus
dem Manuskript vorlesen und erklärte mir sofort nach dem Anhören, daß er es noch im
Jänner aufführen wolle, und ersuchte mich, der größeren Raschheit halber, die Sache
gleich dem
Burgtheater zu übergeben. Ich bedang mir aus, daß ich zu gleicher Zeit zwei Abschriften erhalten
müsse, da ich das Stück dem
Deutschen Theater zugleich mit dem
Burgtheater übergeben möchte. Dies wurde mir zugesagt, und so werde ich Ihnen wohl in wenigen
Tagen die Sache schicken können.
Am Tag nach
Burckhard hab ich das Stück strengeren Richtern vorgelesen:
Hofmannsthal (ich schwöre Ihnen, daß
Kaiser und Hex das schönste von den
dreien ist),
Beer-Hofmann,
Salten,
Schwarzkopf – da hat sich mancherlei herausgestellt, was besser sein könnte, sogar wenn ich selber
versuchte, es besser zu machen. Einiges habe ich geändert, so, wie es sein soll, ist
es nicht geworden und wird es wohl nie werden, da gewisse Mängel doch gar zu tief
in meiner Natur zu stecken scheinen. Ich wollte, ich hätte etwas weniger Einsicht
und etwas oder auch viel mehr Talent; das wäre gut für meine Stücke und noch besser
für meine Stimmung. Der Titel steht noch nicht fest. »Das Kind« ist zu nichtssagend,
»
das Vermächtnis« zu banal, jetzt halt ich bei dem Titel »In der Familie«.
Sie werden sich vielleicht wundern, daß
Burckhard noch
Stücke annimmt. Vielleicht wissen Sie, wie es mit der
Direktionskrise am
Burgtheater steht – hier weiß es niemand.
Schlenther wäre ja sehr schön, aber von den andern ist mir – trotz allem! –
Burckhard der weitaus liebste, vorausgesetzt, daß er sein Verhältnis zu
Bahr lösen könnte. Wenn er einen anderen gefunden hätte als den, wäre viel aus ihm zu
machen gewesen. Sie werden mir allerdings erwidern: das ist ja sein Fehler, daß er
gerade den gefunden hat. – Heute haben wir das
Freiwild am
Carltheater besetzt, das kommt Ende Jänner dran.
Brandes kommt auf der Durchreise nach dem Süden nach
Wien. Ich nehme an, er hält sich auch in
Berlin auf; fahren Sie gleich mit ihm zu uns. Sie waren sowieso schon viel zu lang nicht
da. Sonst hätten Sie nicht den
Kaiser und die Hex so schnöd abweisen können. Ist das die Art mit Hexen umzugehen? Nach dem
Johannes werden Sie sich wohl ausruhen können.
Wie stehts denn mit der
Sorma? Ist das wahr, daß Sie sie ganz verlieren? Bitte grüßen Sie
Georg Hirschfeld vielmals. Wie geht’s seiner neuen Arbeit? Ist er in
Berlin oder in
München?
Viele herzliche Grüße! Ihr treuer
A. S.