Brahm an Arthur Schnitzler, 27. 12. 1909

Berlin, 27. Dezember 09

Lieber Freund,

Schlenther sagt mir, daß er Ihnen geschrieben hat und Sie bald zu sprechen hofft. Was jetzt, dank Alfred dem Wankelmütigen, bekannt wurde, Schlenthers »Ade Wien!«, hat er mir bei Meißl und Schadn schon gesagt, unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Sie tun ihm mit Ihren Verdächten Unrecht, ganz gewiß. Er war nur die letzten Monate in der heikelsten Situation, weil er aus Rücksicht auf Montenuovo von der Scheideabsicht nicht reden konnte, und deshalb, sagte er mir, hätte er Sie lieber nicht gesprochen bisher. Nun aber sei die Bahn frei, und es wäre ihm sehr sympathisch, mit der Inszenierung des Medardus seine Wiener Werkstätten zu schließen. So, und das andere mag er Ihnen selber sagen.
Der Bahr war ein wirklicher, ungewöhnlicher Erfolg, und das von Ihnen bewilligte Dutzend Aufführungen wird schon in dieser Woche erreicht sein. Hält die Wirkung an, so werd’ ich meine Dispositionen etwas rücken müssen und den Anatol im März bringen. Augenblicklich hängt uns der Himmel voller Weihnachtsgeigen, da wir an jedem Feiertagabend 6000 Mark eingenommen haben und auf diese Weise erfahren haben, daß es solche Einnahmen überhaupt gibt. Ihre Inszenierungswünsche, inklusive Schneeflocken, hab ich Herrn Lessing mitgeteilt. – Weshalb ein Dreiakter eines Nicht-Schnitzler besser zur Mizzi passen soll als zwei echte Schnitzlerakte, vermag mein Untertanenverstand nicht einzusehen. Den Wurstl will ich auch noch ansehn, aber ich glaube, ein Berliner Publikum kann das nicht kapieren. Über ihren guten Ruf habe ich mich natürlich sehr gefreut, und Ihren Abbruch der Reinhardtbrücke kann ich Ihnen auch nicht übelnehmen, es lebe das Temperament! Was Pötzleinsdorf betrifft – da besuch ich Sie doch noch mal, wenn der junge Wein blüht. Und so wünsch ich Ihnen für 1910 Nerven von Eisen, Tantiemen von Gold (ohne Garantie) und einen Burgtheaterdirektor nach Ihrem Herzen.
O. B.