Adele Sandrock an Hermann Bahr, 8. 4. 1894

Wien. 8. 4. 1894.

Liebster Hermann.

Sei mir nicht böse Kind daß ich Deinen lieben reitzenden Brief bis heute unbeantwortet ließ. Ich hatte dieser Tage wieder so viel Ärger daß ich nicht zum Bewußtsein kam. Ich rang buchstäblich mit dem Tode vor Zorn. Unsere Spatziergänge können wir noch nicht unternehmen, denn in der Früh ist im Prater ein furchtbarer Niederschlag – kalt und feucht ist die Witterung, ich habe mich danach erkundigt. – Es wird mich riesig freuen Dich bald bei mir zu seh’n – aber ich beschwöre Dich Kind – sprich nicht vom Theater. – Daß macht mich krank. Wie geht es Dir? Was machen die Nerven? – Was macht Wächter und Loris? Alles Fragen – die Du mir am besten selbst beantworten kannst.
Meinen guten Wienern habe ich heute zur Jause die Stuart versetzt – ich war gigantisch. Wenn du einen wahren Genuß dem Leben abringen willst, dann gehe zum Theater und spiele nur an den Nachmittagen. Du hast dem kleinen Schnitzler gratuliert zu meiner Verlobung – du Schpazzerl – es war ja – höre und staune, der Theo Baumgarten, aber tröste Dich – die Parthie ist bereits gelößt – ich habe noch rechtzeitig meinen Irrthum eingeseh’n! Also – Du hast wieder Chance. Dein Bild steht vor mir am Schreibtitsch mein Kind – Du wärst mir doch zu wüst und verwegen! Also mein lieber Hermann ich grüße Dich in Ehrfurcht sende Dir wilde stürmische Grüße – soeben kommt der Arthur – er grüßt Dich ebenfalls.
Auf Wiederseh’n
Dein
Diltsch