Arthur an Olga Schnitzler, 9. 10. 1923

Frau Olga Schnitzler

Wien, 10. 9.23.

liebe, die Umwechslung ist in diesem Fall nicht mehr zu aendern. Heini sagte mir, du habest ihm geschrieben dein D-Conto gehe zu Ende; – ich wollte nicht mehr weiter Dollars angreifen, so mußt ich Kronen verkaufen, um dir Mark anzuweisen. Übrigens telef. mir vorgestern Menczel spontan, wir müßten eine andre Methode erwägen, – und so sind wir, in einer Unterredung gestern zu dem Resultat gekommen, dss doch nichts übrig bleibt, als weiter Dollars zu verwenden; u später neue zu kaufen. Ich werde dir also zunächst wieder auf dein Conto in Amerika (wohin?) aus meinem Conto D.s anweisen lassen – sage mir, wieviel du ungefähr noch besitzest. Übrigens könnte ich dir ja vor allem die 40–45 D überweisen lassen, die ich noch bei Herrmann liegen habe. Dort sind wohl auch noch Mark auf meine Rechnung. – Im übrigen was bedeutet dieser Umwechslungsverlust gegen den, den ich ununterbrochen durch die Verhältnisse selbst erleide; – z. B. (und von den allgemeinen Zuständen ja nicht zu reden) durch das Nichtauftreten der Bleibtreu; – die verspäteten Sendungen Fischers – . . . . Oder nimm folgendes: Robert will den Eins. Weg spielen; ich verlange 500 Goldmark Garantie – er zahlt sie angeblich am 30. 8. ein; vorgestern erhalte ich die Anweisung – angeblich verspätet – wegen Steuerfluchterklärung etc., – es sind 843 Mill. M – also ein Dollar, – statt 125! – (Natürlich werd ich mirs nicht gefallen lassen –)
– Gestern war ich (auf Vorladung) bei der Steuerbehörde; – der Referent war mehr als entgegenkommend – ich sprach ausgezeichnet; – und siegte (wie der mich begleitende Dr. Norbert Hoffmann constatirte, der wenig reden mußte) – auf allen Linien. Meine Fassion/ für heuer – anstandslos angenommen; mein Rekurs gegen die vorjährige Vorschreibung in jedem Punkt acceptirt, so dss er nicht einmal vor die Comission kommt. Ich benützte die Gelegenheit, um einiges allgemeine vorzubringen; – die Überschätzg der schriftstellerischen Einnahmen, – die böswilligen Gerüchte, die amerikanischen und anderweitigen Räubereien, – Markkatastrophe etc; – hatte meine Abrechnungen mitgebracht, – (in die der Referent keinen Blick warf) – als er nach meinen Valutenveräußerungsgewinnen fragte, gab ich an, dss für den großen Theil der Dollars ein Hausantheil in B. B gekauft u. eingerichtet worden sei, so wie dss, bei dem Marksturz, auch dein Lebensunterhalt von den Fremd-Valuten bestritten werde. (Es wird vielleicht notwendig sein, dss du mir eine Bestätigung des dortigen Amts schickst, daß es mit dem Hauskauf seine Richtigkeit habe, – jedenfalls aber, dss du in B.-B. Steuer zahlst; ev. wird von hier aus Erkundigung eingezogen (unwahrscheinlich)
– Die günstige Erledigung der Einkommensteuer muß auch auf die Erwerbst. günstig rückwirken, – da obwohl der betreffende Referent auf meinen Advokaten einen direct feindseligen Eindruck (feindselig gegen mich) machte. – Dr. Hoffmann ist ein Verwandter von Hugo Schmidl, – klug, verlässlich und bescheiden. –
Hugo Schm. kam übrigens aus Gmunden sehr krank zurück; haemorrhagischer Infarct mit Fieber; ich besuchte ihn neulich, – jetzt gehts ihm etwas besser. Paula’s Krankheit scheint nicht richtig diagnostizirt worden zu sein – keineswegs ist eine Verschlimmerung eingetreten! –
Nein meine liebe, über den Verf. red ich mit niemandem; sowenig wie über meine andern Sachen – habe kaum das Bedürfnis. In wenigen Tagen nehm ich den Verf. wieder vor, – nun kommt der letzte Ansturm; – was jetzt nicht gelingt, wird sich als schwache oder problematische Stelle mitschleppen müssen. Von den drei Novellen sind zwei als ziemlich fertig zu betrachten; die dritte ist im letzten Drittel ganz unmöglich. – Indess hab ich eine neue Nov. und einen Einakter begonnen; sehr einfache, ganz unverwuzelte Stoffe. Es wird sich nun vor allem darum handeln, das novellistische im Ausland zu verwerthen; was langwierige Correspondenzen kosten dürfte. –
Der Med-Film gefällt allgemein – u gefiele noch besser, hätten die Kertesze u. s. w. sich selbst nicht für klüger gehalten als mich. Von Zahlung ist natürlich noch keine Rede – u. der Referent im Steueramt fragte mich gestern schon danach – ich klärte ihn auch über diese Zustände auf.
– Von Mimi Mann hatte ich einen Brief, wegen Glümers. Ich wandte mich an Gusti direct – es ist M. G. sehr schlecht gegangen, nun aber scheint sie sich zu erholen – man bittet mich kein Geld sondern Lebensmittelpakete zu schicken. –
Gestern brachte mir eine Arztensfrau aus Palaestina (Frau Dr Barsi, früher Hermine Freund) einen hebr. Theaterzettel – Einakterabend, an dem u. a. Denksteine! aufgeführt wurden. –
Ein Holländer brachte mir Grüße von Verkade, – er trägt den unwahrscheinlichen Namen: Piet Gips Pzn.
Theater selten, – ich höre zu wenig, – zu den Capek Premieren heute W. U. R., morgen Makropulos bekam ich Sitze; ich gehe heute mit Clara Pollaczek, morgen mit Frau Lichtenstern. –
– Gestern zum ersten Mal geheizt – – der Herbst ist mit übertriebener Entschiedenheit eingebrochen. Ich möchte so gern auf 2–3 Tage in ein gutes Berghotel, um den Verf. in Ruhe durchzulesen. Aber nach der Schweiz wird ja keines dieser Beiseln erträglich sein– –
Das Konzert will ich also nächstens wieder lesen. Neues dürfte ich nicht daraus erfahren. Daß es vor allem auf Wahrheit ankommt – daß es nur ein schweres Wort gibt, (»und das heißt Lüge«) – steht schon im Weiten Land. – (Aber viele haben es vor mir gewußt. –) Und über die Probleme, die für eine nächste Generation keine mehr sein werden (???) siehe (oder lieber siehe nicht) Zwischenspiel. – Tragisch aber gestalten sich seelische Verwicklungen nur dort, wo unlösliche Zusammenhänge bestehen. Denn – und wieder citir ich den schon früher angedeuteten Schriftsteller – Es gibt nur ewige Liebe. – (Sonst wär das Leben einfacher als es ist. –)
leb wohl und sei von Herzen gegrüßt
A.