Mein Liebes, ich bin ein bissel müde, hab vor Tisch im
Mozarteum gut gearbeitet,– Frl.
Zotos war wieder dabei,– aber ich muss Dir von dem gestrigen prachtvollen Nachmittag bei
der
Mildenburg erzälen.
Ich kam kurz nach 3 Uhr hin,– es waren ausser mir noch 3 Zuhörerinnen da,– und sie
studierte schon mit einer Schülerin,– übrigens ein blondes, blühend schönes Geschöpf,
aber seelisch vollkommen ahnungslos in ihrer fabelhaften unberührten Gesundheit,–
den »
Fidelio.« Mein Liebes, mir fehlen die Worte,– oder ich müsste Dir stundenlang erzälen, wie
herrlich diese grosse Frau ist. Es war im Nu 5 Uhr,– so verging die Zeit,– und mir
kamen stellenweise die Thränen vor Ergriffenheit, so ist das innerlichst wahr, echt,
menschlich rührend und
einfach,– was sie zeigt. Für mich eines der stärksten künstlerischen Erlebnisse,– ich war
und bin ganz beglückt, dass es so ein Wesen gibt,– übrigens ist sie derart malerisch
in jeder Bewegung, dass ich den
Harta auf sie hetzen werde.–
Sie bat mich dann noch dazubleiben, zeigte mir ihre unglaublich schönen grossen Zimmer,
und wir tranken Thee auf einer grossen Terasse neben einer Volière mit vielen kleinen
Vögelchen,– auch Frl.
Kowo, ihre Begleiterin, Freundin von
Specht und
Robert-Schülerin, war dabei, leider sehr hässlich, eingebildet, mit
beesen Augen,– nicht mein Fall. Aber die
Mildenburg! Arthur, ich habe mich absolut in sie verliebt.
Wie sie,
was sie spricht,– über die
Lehmann, über Gesangsmethoden, über Menschlichkeiten,– über ihre Verletzlichkeit,– weil sie
alle Menschen sehr ernst nimmt, über die Heiterkeit und Unberührbarkeit ihres
Mannes,– ich kann Dir nicht sagen, wie unglaublich sie mir gefällt. So gescheit, humorvoll,
grosszügig,– und dabei im innersten mädchenhaft ist diese tragische Muse. Sie behielt mich bis 7 Uhr dort,– morgen soll ich wiederkommen, erst Curs anhören,
und ihr nachher Vorsingen, nächstens singt sie mir auch
Wolf und
Schubert vor. Ich freu mich schon sehr auf morgen! Sie hat mir auch ihre Wohnung zur Verfügung
gestellt, ich kann jeden Vormittag dort üben,– aber ich übe lieber im
Mozarteum, das ja so nah liegt.
– Zu Mittag kam
Prechner an meinen Tisch und erzälte mir von Euch,– die Stunden bei dir seien ihm die besten
in
Wien gewesen.
Gestern Abend mit
Harta’s Schwiegermutter, Frau
Hermann, und
Paumgartner in der Halle, – Frau
H. die den ganzen Winter hier bleibt und ihr
Hietzinger Haus vermietet,– sagte mir
scherzweise, sie werde dir einen Brief schreiben und dir dasselbe raten, du passt viel besser
her wie nach
Wien. –
(Sie ist die Schwester der Frau
Jellinek aus der
Cottage.)
Bitte schreib mir, ob man zugleich mit den Fowlerschen Tropfen Obst essen darf, –
ich hab mir heit so herrliche
Meraner Trauben gekauft, – und ob man die Tropfen während d. Grafen nehmen darf, sonst
nehm ich sie so, dass sie um diese Zeit 6. Oct., schon ganz im Abnehmen sind.
Von der
Wucki, nach fast 4 Wochen, kein Wort. Lieber, wenn ich bedenke, dass sie es nur mir verdankt,
dass sie noch im Hause ist, – und dass sie gesehen hat, wie schwer und traurig ich
diesmal fortgefahren bin, – so muss ich mir sagen, dass sie schliesslich genau so
viel wert ist wie die meisten anderen bezalten Leute. Ich bin wirklich
böse auf sie.
Gegen 5 holt mich Frl.
Z. und wir fahren nach
Hellbrunn. Es ist heut sehr heiss, fast wär’ mir ein Regentag willkommen.
Viele Küsse an mein
Haserl, an
Heini schreib ich. Innigst dein
O.