Vielen Dank für Ihren jüngsten Brief, der mir hierher nachgegangen ist. Wie alljährlich,
erlebe ich die Weihnachtszeit in meinem Elternhaus, werde aber gleich nach dem Fest nach Berlin zurückkehren.
Daß der Kalender nach einiger Fährlichkeit doch noch glücklich am Bestimmungsort eingelaufen ist,
erfüllt mich mit Befriedigung; ich hatte ihn gleichzeitig mit »Aus der Werkstatt« abgesandt. Mit wärmsten Interesse vernahm ich die Mähr’ von Ihrer neuen Komödie, und daß diese der Vollendung schon so nahe gerückt ist. All meine guten Wünsche
begleiten Sie bei dieser wie bei jeder anderen Arbeit, und ich bin höchst gespannt,
sie kennen zu lernen.
Mein Ihnen bekannter Kehlkopfkatarrh, der noch immer nicht völlig überwunden ist,
hat meine Nerven derart heruntergebracht, daß ich diese ganzen Wochen – außer einiger
Uebersetzerei – zu einer ernstlichen Arbeit nicht fähig war. Ich hoffe aber demnächst
an einen neuen Stoff, den ich für sehr ergiebig halte, herangehen zu können. (Etwas in Versen.)
Aus dem Artikel von Harden über Jacobsohn erfuhr ich, daß Herr Hermann Bahr mich einen »gierigen Jobber« genannt hat, der »mit Meinungen wie mit alten Hosen hausirt.« Und zwar befindet sich diese Injurie – wohl der äußerste Rekord an Unanständigkeit
– nicht etwa in einer Kritik über mich, sondern zurückgreifend in einer Besprechung des Otto Ernst’schen Stückes. Ich möchte nun gern einmal festgestellt sehen, wie weit die persönliche Beschimpfung
und Beschmutzung eines unbescholtenen Menschen unter dem Deckmantel der literarischen
Kritik getrieben werden darf. Und darum habe ich durch meinen Wiener Anwalt gegen Herrn Bahr die Beleidigungsklage erheben lassen.–
Alle guten Wünsche zum Fest und zu Ihrem geplanten Ausflug ins Salzburgische. Im Vorfrühling möchte ich wohl gerne südwärts. Doch haben meine Pläne noch keine
bestimmte Form angenommen; ich weiß nicht einmal, ob ich sie überhaupt werde verwirklichen
können. Und Sie?
Hoffentlich sieht man Sie, noch ehe der Winter zu Ende geht, noch einmal in Berlin, und zwar diesmal mit Ihrer lieben Frau.
Signatur: Cambridge, University Library, Schnitzler, B 32
eh. Brief, 1 Bl., 2 S.
Druck 1
Ludwig Fulda: Briefwechsel 1882–1939. Zeugnisse des literarischen Lebens in Deutschland.
Hg. Bernhard Gajek und Wolfgang v. Ungern-Sternberg. Frankfurt am Main, Bern, New
York, Paris: Peter Lang 1988, S. 344–345 (Regensburger Beiträge zur deutschen Sprach-
und Literaturwissenschaften / A).
Wien (K.K. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien, Bécs, Land Wien, Vídeň, Wenia, Beč, Vindobona (Wien), Vienna)
Zitiervorschlag
Ludwig Fulda an Arthur Schnitzler, 21. 12. 1904. In: Hermann Bahr – Arthur
Schnitzler: Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente (1891–1931).
Hg. Kurt Ifkovits, Martin Anton Müller, Stand 27. 9. 2024, https://hdl.handle.net/21.11115/0000-000E-881C-A.