Hermann Bahr: Selbstbildnis, Juli 1923

[…]
In einer 1892 im Theater der Josefstadt mit Ferry Bératon, einem hoch, nur für viel zu vieles begabten Maler, improvisierten Aufführung von Maeterlincks L’Intruse (wir hatten, als wir Schauspieler warben und das Haus mieteten, beide zusammen nicht zehn Gulden bar) trat ich zum erstenmal vor die Wiener, die so wenig von mir als was eine »Conférence«, was denn um Gotteswillen das eigentlich sein mag, wußten. Meinen alten Freunden aus meiner ersten Wiener Zeit, Richard Ulbing und Otto Stauffer, ward ich fast unheimlich; unter den neuen, die mir mein Ungestüm gewann, wurde mir Adalbert von Goldschmidt, der Komponist der »sieben Todsünden«, der Dichter der »Gaea«, der liebste. Der reichen Begabung Schnitzlers bin ich zögernd nach Jahren erst ganz gerecht geworden, Richard Beer-Hofmann war meinem Herzen gleich auf den ersten Blick so wert, als er mir diese ganzen dreißig Jahre blieb, und Salten mußt ich schon damals immer gegen alle Welt verteidigen, wie heute noch. Und schon kündigte sich mit Willi Handl und Artur Kahane eine noch jüngere Jugend an. In der großen Kritik aber war der erste, der mich in Huld und Schutz nahm, der kleine Julius Bauer, der die Verwegenheit so weit trieb, unserem Tisch im Griensteidl zu präsidieren, im sicheren Vorgefühl, daß mit uns ein »Extrablatt« der Literatur begann.
[…]