Hermann Bahr: Persönliche Erinnerungen an Arthur Schnitzler, 6. 11. 1931

Persönliche Erinnerungen an Arthur Schnitzler.

Egon Friedell rühmt an Arthur Schnitzler, er habe das Sittenstück auf eine menschliche und künstlerische Höhe gehoben, die die Franzosen niemals erreichten; seine Wesen bestünden nicht mehr aus einer oder zwei Seelen, sondern aus einem ganzen Gesellschaftsstaat von Seelen. Das trifft zu, doch es erklärt noch nicht den Zauber, in den jedermann verfiel, schon bei der ersten Begegnung, gar bei dauerndem Verkehr mit ihm. Gewöhnlich sind Laien bei persönlicher Begegnung mit von ihnen verehrten und bewunderten Dichtern arg enttäuscht, sie haben sie sich ganz anders vorgestellt. Was das Werk eines Künstlers ihnen zu versprechen scheint, soll seine Person erfüllen. Das gelingt selten, aber Arthur gelang es vortrefflich: er entsprach durchaus der Vorstellung, die der Bürger von einem Dichter hat. Dabei war ihm jede »Pose« durchaus fremd. Die Vorstellung des Bürgers scheint ganz richtig zu sein, er weiß, wem er vertrauen darf. Schnitzlers »Der Ruf des Lebens« erschien 1906, ihn rief immer wieder das Leben. 1926 folgte »Der Gang zum Weiher«, mir das liebste seiner Werke, gleich neben der »Flucht in die Finsternis«. Oesterreicher werden ja sehr selten nach Gebühr geschätzt, sie gehen einen »einsamen Weg«, es ist ja, was wir erleben, alles doch zunächst ein »Zwischenspiel«.
Hermann Bahr