Tagebuch von Arthur Schnitzler, 22. 9. 1910

22/9 Vm. dictirt Briefe.–
Mit O. ins Mautnerhaus, wo man Kainz aufgebahrt hat. Wir kamen 1 Stunde vor dem Begräbnis.– Sein erlöstes Gesicht unter dem Glas. Er sah sonderbarer Weise Reicher ähnlich.– Sprachen Trebitsch, später die Mautners, Bahr, Salten. Drückten Grethe die Hand, die starr und thränenlos dasaß.–
Bei Mama zu Tisch. Mit Julius im Auto auf den Friedhof. Regen und Wind. Das Publikum. Sprach Dr. Feuchtwang und Josef Winter. Warteten den Trauerzug ab, gingen dann. Welche Sinnlosigkeit. Das nachdrängende Publikum, die wichtigthuenden Polizeiorgane.–
Daheim Mirjam Beer-Hofmann, von O. mitgebracht.–
Corrigirte für die Ö. R. »Weites Land«, 1. A.
– Mit O. zu Saltens. Wir sprachen uns leidlich, aber der Riß ist unheilbar tief – weil nach Gesetzen der Entwicklung entstanden.– Über Bahr, den er jetzt nicht verträgt, Bergers Rede, u. a.– Er ging (spät) zur Burgtheater Première.–
– Las Abends Frohgemut zu Ende, die ich mir von ihm mitgenommen. Hübsches Buch.
– Fühle mich seelisch krank durch das Ohrenleiden. Nicht im Besitz meiner ganzen seelischen, kaum der geistigen Kräfte.