Tagebuch von Arthur Schnitzler, 17. 4. 1896

17/4 Nm. mit Mz. Rh. bei Uns.– Bei Hofr. Gomperz, mit Berger haupts. geplaudert.– Spazierg. mit Hugo Nachts, der mir wieder sehr viel bedeutet. Er holt doch meine ganze Ehrlichkeit herauf; ihm gegenüber hab ich am stärksten Bedürfnis und Fähigkeit zu beichten.– Er sprach von seiner frühesten Jugend, die ihm sehr unheimlich sei, kam sich selbst abject vor, wie etwas sehr schlechtes, war durch 5 Jahre abwechselnd in 2 Schwestern (plat.) verliebt, an die er viel weggegeben hat.– Ersatz der Gefühle – »Wenn die Leute wüßten wie schlecht ich eigentlich bin«.– Ich sprach von meiner Faulheit, Bequemlichkeit, die mich hindert, das zu thun, was ich selbst in einem gewissen Zeitpunkt als das mir gemäße und nützliche empfinde.– Hugo sagte; es bilde sich was starres in mir – ich sei der A. im Verhältnis zur Familie – der A. mit seiner Geliebten – der A. im Café Griensteidl – der A. mit jungen Mädeln aus der Gesellschaft – sollte wo anders hin, wo ich rein menschlich gelten und sein kann, statt eine Marke zu tragen.–
Bahr gesteht seinen »Irrthum« über mich ein.– Früher hat er mir vorgeworfen, ich sei »der Dichter mit der Grisette« – oder »der Dichter mit der berühmten Schauspielerin etc.« – und sagte nach dem Erfolg der L. »Geben S Acht, jetzt wird er ›der berühmte Dichter‹ sein.« – Hugo sagte ihm: Eine Ihrer Negationen von der Sie schon zurückkommen werden – nun ist er’s.–
Wenn meine Freude über den Erfolg wirklich meiner Sehnsucht vor 10 Jahren nach einem Erfolg entspräche – : – eine Sehnsucht hat offenbar bedeutet, dass ich es wußte, er wird kommen – so ist vielleicht auch jetzt meine Sehnsucht schon ein Wissen.
– Wenn ich an ein Gespräch mit irgendwem zurückdenk, seh ich mich im Geist sehr oft als Kind neben diesem andern einhergehn.–
Hugo sagte heut u. a. »Ich weiss überhaupt nicht, dass Sie irgend jemanden sehr gern haben können.«