Tagebuch von Arthur Schnitzler, 15. 9. 1918

15/9 S.– HütteldorfKnödelhütteRieglerhütteNeuwaldegg. Nicht in guten Gedanken.
Nm. erscheint, tel. angesagt, Bahr, begleitet von Prof. Redlich und Sohn (Heinis College). R. zum ersten Mal bei mir. Bahr seit 1913 nicht gesehn. Sieht nicht übel aus, weniger lieber Gott,– menschlicher.– Zuerst allgemeines Gespräch, dann sitz ich mit ihm allein auf meinem Balkon, in der Herbstsonne. Vorher schon sprach er davon, daß wir in Hinsicht der Ohren gleiches Schicksal hätten; auch er Ohrensausen und wechselnde Schwerhörigkeit (viel weniger fortgeschritten als bei mir). Nun über seine neue Stellung. »Dramaturg«,– eigentlich Director. Die Intendanturbeamten (Horsetzky etc.) angeblich obstinirend gegenüber Andrian. Die von Millenkovich angenommenen Stücke, die er zum größten Theil nicht spielen will. Erzählt mir von Lux, einem dieser Autoren;– statt geradeaus seinen Entschluss mitzutheilen, daß er das Stück nicht spielen will – lavirt B., läßt ihm hinhaltend schreiben.– Ich verhehle ihm mein Erstaunen darüber nicht.– Noch allerlei amtliches u. dgl., dann: »Also dein Stück hab ich gleich gelesen . . . Ich will dir nichts darüber sagen, eh es der Poldi gelesen hat, dem ichs gleich schicken ließ . . . (Dann, zögernd.) Ganz unter uns . . . Es war ein ausdrücklicher Wunsch des Cardinals, daß ich in die Leitung des B.th. eintrete . . . Poldi hat nicht die Absicht, ein ›katholisches‹ Theater zu machen;– aber er will nichts spielen – das hat er dem Cardinal in einem Brief geschrieben, was dem katholischen Empfinden widerspricht . . . (oder geeignet wäre, das Gefühl der Katholiken zu verletzen –). Wie er mir das in Salzburg gesagt hat, ist natürlich zuerst dein Name gefallen. Ich sagte zu ihm: Wie werden Sie sich verhalten, wenn Ihnen der Arthur sein neues Stück gibt . . . Darauf . . . ist er im Zimmer hin und hergegangen – du kennst ja diese Manier von ihm, und hat geantwortet: ›Selbstverständlich werd ich’s spielen, wenn’s mir gefällt – und nicht spielen, wenn’s mir nicht gefällt.‹ Der Ansicht bin ich auch . . . « – Als ich daraufhin über das voraussichtliche Schicksal meiner früheren Stücke interpellire, versichert mich B., daß gegen keines (vom Cardinal!) Einwendung erhoben wurde – wie überhaupt nur der »Weibsteufel« eliminirt werde.– Wir verblieben, daß wir, sobald A. die »Schwestern« gelesen, zusammen kommen würden;– wo –? bei der Hofräthin!
– O du mein Oesterreich.– Mir ist die Sache nicht unlieb. Es verkehrt sich am bequemsten mit Leuten, die ein schlechtes Gewissen gegenüber einem haben.–
Später Schott, Arthur Kfm. –