Arthur Schnitzler an Hermann Bahr, 6. 4. 1903

Wien, 6. 4. 903.

lieber Hermann,

ich glaube wir befinden uns beide in einer sehr ähnlichen Situation der Oeffentlichkeit gegenüber: was immer wir thun oder unterlassen werden – eine compact-vertrackte Majorität wird schimpfen. Es wird also immer notwendiger find ich sich ausschließlich nach dem zu richten, was wir selbst für das vernünftige halten – auf die Gefahr hin dss wir uns gelegentlich irren. Willst du mir deinen neuen Band widmen, so seh ich darin nichts andres als den neuesten Ausdruck für die Herzlichkeit unsrer Beziehungen, zu der wir uns ja wahrhaftig schwer genug durchgerungen haben. Ich freu mich nun umso mehr, dass wir soweit sind dass wir einander wirklich verstehen und – was in diesen Jahren doch eigentlich recht selten vorkommt, uns – ich schließe von mir wohl nicht ganz verfehlt auf dich – einander jenseits von Literatur und allerlei Getriebe – gern haben. Ich für meinen Theil nehme also die Gefahr auf mich, neuerdings als mit dir vercliquet angesehen zu werden, (obzwar ich nachweisen könnte, dass ich nie eine lobende Kritik über dich geschrieben habe) – und mehr als das – ich danke dir aufrichtg für deine liebenswürdg Absicht. Eine Bitte füg ich bei, obwohl sie recht überflüssig sein dürfte: sage mir nichts »freundliches« oder »schönes« in deinem Widmungswort. Die Thatsache der Zueignung allein ist mir Freude genug.
Eben erst merke ich, dass du mir auf einer Extraseite den Wortlaut der Widmung schon mitgetheilt hast. Sie ist einfach und schön. Ich danke dir.
Die Nachricht des N. Wr. Journ ist unwahr, mindestens um sehr geraume Zeit verfrüht. Erinnerst du dich, dss wir gerade am Tag vorher mit einem Herrn des N. Wr. J. über die Büberei gesprochen haben, die durch die journalistischen Einmischung ins Privatleben verübt werden? – In meinem Fall war es ja zufällig gleichgiltig; aber es hätte ebenso gut eine freche Indiscretion sein können.
Wie steht es mit deinen Reise- u Erholungsplänen? Ich hoffe dich jedenfalls sehr bald zu sehen; immerhin verständige mich; denn ich möchte wenn’s dir nicht unangenehm ist, auch ganz gern ein paar Tage in die Reichenauer Gegend.
Zum Cap. Reigen: Salten hat sein Feuill. vorläufig in der Zeit auch noch nicht unterbringen können. Warum? . . Mein – Schwager war entsetzt, als er durch Singer erfuhr, dass von diesem verderblichen Buch an hervorragender Stelle Notiz genommen werden solle u rieth ihm dringend ab. Singer: »Sehn Sie, sogar der Schwager . . . «
Man ernenne doch endlich den Storch zum Ehrenbürger der Menschheit.
herzlichen Gruss
dein getreuer
Arthur