Felix Salten an Arthur Schnitzler, 28. 3. 1906

28. III. 06

Lieber, dass wir eine Radtour machen könnten, ist mir heute wie ein absolutes Muß! Es wäre so schön 6–8 Tage irgendwo – durch die Welt zu gleiten, wo sie schön ist, und wo man wieder einmal so viel Behagen empfinden könnte, wie »einst im Mai« Denken Sie etwas Gutes aus, und ziehen Sie dabei in Betracht, ob wir nicht eine Gegend wählen wollen, die wir noch nicht kennen. Außiger Gebirge, Thüringen, Rhein, u. s. w. Ich bin aber auch mit Tirol oder Schweiz (Lugano oder Genfer See) einverstanden. Ihr Brief kam heute aber auch a tempo: es ist seit langem Winter wieder die erste Frühlingswärme, die erste Sonne wieder da, und alle Reisepläne, alles Reiseverlangen – »Wanderslust« – regt sich. An solchen Tagen hat auch Berlin seine Schönheit. An solchen Tagen würde übrigens auch Magdeburg oder Genthinen nicht ohne Reiz sein. Ich überlege mir heute zum 20ten Mal, wie man es macht, sich ein ganz ein kleines Automobil zu kaufen. Geht aber leider im Moment nicht. Wenn ich die große Zeitung gegründet habe, Neue freie Presse in Berlin, eine Wochenschrift im Zukunft-Stil und dann vier Blätter regiere, statt zwei (was ich armselig finde) dann werde ich, gewiss auch das langerflehte Auto haben. Inzwischen freu ich mich, wenn nur eine Radtour zustande kommt, und die übrigen Dinge, die ich für den Sommer vorhabe (Holland, zu Wasser nach Kiel) Die Radtour könnte auch durch einige deutsche Städte gemacht werden, – Rothenburg ob. d. TauberBayreuth, wozu man freilich jetzt schon die Sitze bestellen müsste. Das dänische Seebad, das Sie vorhaben, verdrießt mich – wenn ich aufrichtig sein darf – immer. Weil ich . . aus wirthschaftlichen Gründen . . nicht hinkann, wenn ich schon einmal an der Ostsee sitze, und weil ich mir denke, wenn uns ein mehrwöchiges Beisammensein schon beschieden sein könnte, dann ließe sich vielleicht doch auf Dänemark verzichten. Der Unterschied ist nicht so groß, und Wälder gibt’s auch am diesseitigen Strand der Ostsee.
Augenblicklich ist Wien durch Mr Triebeitsch vertreten, der in seinem Premierenfieber wegen Shaw das Maß des lächerlichen erreicht. Seine erste Frage, als er hier eintraf, war (natürlich per Telefon) was ich von seinem Vorschlag in der »Schaubühne« halte. Ich sagte, dass ich dagegen sei. Er ließ seinen erstaunten Klagelaut vernehmen, und meinte dann, Sie hätten ihm einen »begeisterten Brief« geschrieben. Ich bin wirklich nicht sehr für diesen Vorschlag, der nur aus der Seidenbranche kommt; glaube an Ihre »Begeisterung« natürlich nicht, und halte die ganze Sache für unwichtig. Auch die Dienstboten betrügen uns, und man denkt nicht daran, sie abzuschaffen. Es fragt sich immer nur, um wie viel die Agenten die Autoren übervorteilen. Und das ist im Ganzen nicht gar so erheblich.
Heute schrieb mir Bahr, dass er Samstag Abend auf zwei Tage herkommt. Das ist mir weitaus angenehmer. Sonst bin ich ziemlich allein; kann mir zu Harden kein Herz faßen seit jenem Artikel und hab’ ihn seither auch nicht gesehen noch gesucht. Heute – es ist überhaupt ein lebhafter Tag – telefonirte mir Ihre Schwägerin wegen einer Schiffskarte. Ich bat sie, dieser Tage zu mir zu kommen, damit wir alles genauer besprechen.
Ihr
Salten