Arthur Schnitzler an S. Fischer, 4. 6. 1910

4. 6. 1910.

Lieber Herr Fischer.

Liebelei ist schon vor etwa 15 Jahren von Jean Torel ins Französische übersetzt und kurze Zeit darauf irgendwo in der Provinz aufgeführt worden. Die Übersetzung ist ziemlich schlecht und hat ihren Weg nicht weiter gemacht. Seither sind schon viele Anfragen an mich gekommen wegen des Übersetzungsrechtes, aber da sich niemand mit dem bestimmten Auftrag einer Direktion oder eines Verlags in Paris ausweisen konnte, habe ich keinen Anlaß gefunden, weiter darauf zu reagieren. Bitte fragen Sie nun bei dem betreffenden Herrn, der sich jetzt an Sie gewandt hat, auch in diesem Sinne an. Liegen ernste Chancen vor, so wird es wohl keine besonderen Schwierigkeiten haben, sich mit Herrn Torel abzufinden, dessen Rechte auch gesetzlich schon abgelaufen sind und den ich überdies seinerzeit (Paul Goldmann war der Vermittler) für seine Arbeit alberner Weise bezahlt habe.
Der Entwurf von Walser gefällt mir sehr gut, nur die Figur auf der Treppe ist meines Erachtens anders zu machen, weil sie so, wie sie ist, verwaschen, ja ganz unverständlich wirkt. Mir ist eigentlich noch immer, als säßen zwei dort, ungefähr, als wenn ein Gespenst den Hals des Vordermanns umklammert hielte. Daß der äußere Anblick der Bastei historisch durchaus falsch ist, hat natürlich nichts zu sagen.
Ihr Plan, im Jahre 1912 gesammelte Werke von mir herauszugeben, ist sehr ehrenvoll für mich, aber ich bin leider außer Stande, ihn mit Enthusiasmus zu begrüßen. Ich erscheine mir selbst noch so wenig abgeschlossen, habe für die nächsten Jahre noch so viel vor, daß mir ein derartiger, wenn auch nur als vorläufig gedachter Schlußpunkt allzu verfrüht vorkäme. Auch weiß ich nicht recht, wie man in drei bis vier Bänden eine Zusammenfassung meiner Arbeiten versuchen könnte, ohne ein recht einseitiges Bild meiner literarischen Persönlichkeit herauszubringen. Und daß mir eine solche Aussicht unwillkommen ist, werden Sie ohneweiters begreifen. So hätte dieses Unternehmen also wirklich nur eine geschäftliche Bedeutung und wie weit diese ginge, läßt sich ja kaum vorherbestimmen. Geschäftlich ließe sich bei jener oder bei noch früherer Gelegenheit der Absatz meiner einzelnen Bücher durch zusammenfassende Anzeigen, wie Sie sie ja manchmal für richtig finden, in mehr oder minder erheblicher Weise fördern. Eine gute Monographie wäre ja zweifelsohne von Vorteil. Der Herr Dr. Kapp, der sich Ihnen angetragen hat, dies ganz unter uns, dürfte wohl nicht der richtige Mann dafür sein. Ich kenne von ihm ein Buch über Wedekind, das sogar mir gewidmet ist, erschienen bei Barsdorf, Berlin, das ich für ganz wertlos halte. Immerhin können Sie ja sein Manuscript im September durchsehen. Bahr wäre freilich sehr gut, aber er hat wahrhaftig Gescheidteres zu tun, als über einen Andern ein Buch zu schreiben und es wäre nicht einmal angezeigt an ihn heranzutreten, um ihn nicht in ein Dilemma zu bringen. Jonas Fränkel hat sich schon oft als kluger Versteher bewährt. Er ist aber in der letzten Zeit so sehr mit literarhistorischen Arbeiten beschäftigt, daß er vielleicht zu einer Monographie über mich nicht zu haben sein wird. Einer, der wohl in Betracht käme, wäre Anton Lindner, der jetzt in Hamburg ist. Doch dürfte auch der Anderes, Wichtigeres zu tun haben. Alle andern Wiener Leute, an die Sie etwa denken möchten, sind ohneweiters auszuscheiden. Sie lassen mich wohl noch weitere Vorschläge vernehmen.