Hugo von Hofmannsthal an Arthur Schnitzler, 17. 5. [1896]

Tłumacz bei Stanislau (Galizien)
K. u. K. 8tes Uhlanenregiment
Sonntag 17ten Mai.

lieber Arthur!

vor einer Woche hat mir meine Mutter geschrieben, Sie hätten mit ihr gesprochen und ihr erzählt, dass im Herbst wieder ein ein Stück von Ihnen aufgeführt werden wird. Das hat mich, wie es der Zufall manchmal bringt, so »historisch« berührt. Die ganze Zeit, seit wir uns kennen, ist mir als ein ganzes eingefallen, wie eine Landschaft, aber viel merkwürdiger: als wenn man in einem Thal stünde und durch die Wände der Berge hindurch die anderen Thäler gleichzeitig sehen würde. Auch der gute Goldmann ist mir sehr stark eingefallen und sein sonderbares schmerzliches Leben. Es ist merkwürdig, wie stark man an Vergangenes denken kann, wenn man so allein und abgeschnitten lebt, wie ich hier. Mir ist eingefallen, wie mir der Goldmann zum ersten Mal von Nietzsche und von Bahr erzählt hat, das ganze kleine Redactionszimmer und unsre ersten Begegnungen, und alles kommt mir so unglaublich vergangen vor und so nett und altmodisch wie eine Geschichte aus der Jean Paul-Zeit. Wir haben doch in diesen paar Jahren sehr viele schöne Stunden gehabt. Wir haben sehr oft das Leben reich und groß gesehen und waren im Stande, viele Dinge auf einander zu beziehen, und immer hat sichs wieder verändert, das war das schönste. Auch dass wir voneinander nicht gar zu viel wissen und immer ein jeder wie ein Neuer aus seinem Leben hervortritt und wieder hinein geht, ist sehr schön.
Über meinen augenblicklichen Zustand will ich lieber nichts erzählen: die Station ist von einer teuflischen Hässlichkeit, die Menschen nicht recht erfreulich, das Wetter fortwährend elend. Ich habe einige Bändchen Platon mit, auch den Pindar und den unerschöpflichen ersten Band von Goethe: die Lieder, die Elegien, und die Sprüche. Ich freue mich im stillen (wenn auch mit Zweifeln) Ihr neues Stück noch im Juni bei der Tini zu hören.
Herzlich Ihr
Hugo.