Adele Sandrock an Hermann Bahr, 9. 5. 1896

Wien den 9 Mai. 96.

Mein lieber, lieber Freund Hermann!

Zuerst mein Kind – sage ich Dir meinen innigsten Dank für Deine herrliche Kritik über mich als Deborah. Schau lieber Bahr – wenn sich ein Wesen so plagt und abmüht, dann thut es doch wohl auch einen Dank dafür zu bekommen! Ich finde die Art, wie Du immer von mir »die Sandrock« schreibst, großartig – so schreibt man doch nur von Menschen die wirklich was sind – gelt? – z. b. der Bismark – der Mitterwurzer – der Schiller u. s. w. – Ich danke Dir für diese Auszeichnung – daß allein ist schon Gold werth – dieser Anfang – »die Sandrock« –! Ich habe heute Abend die Cleopatra weit besser gespielt wie das erste Mal – es ist jammer schade das Ihr Herrn von der Presse uns bei der ersten Aufführung seht – wir verderben uns da gewöhnlich Alles durch die nicht zu unterdrückenden Aufregung! Heute Abend hatte ich Beifallsstürme vom Publikum! Ich glaube doch Hermann, daß ich am Burgtheater Fortschritte mache! Nun – mein Kind – spiele ich am Samstag die »Magda«! Ich bitte Dich innig – lieber, lieber Hermann gehe mit der lieben Roserl hinein – ich möchte für mein Leben gern daß du mich in dieser Rolle siehst! – das ist der Zweck meines schreibens! – Ich habe mir zwar noch einige Todtfeinde dadurch gemacht – das ich auch diese Rolle in Wien spielen werde – aber es ist zum Wohlthätigen Zweck – und da kann man nicht »nein« sagen! – Ich freue mich riesig darauf. Wenn Gott mir gnädig ist – und ich einen guten Abend habe – wo ich frei von Einflüssen meinem Können freien lauf lassen kann – dann muß ich siegen! –
Gestern ging ich mit Herrn Doctor Arthur Schnitzler eine Stunde spatzieren! – Es hat sich da Manches in mir abgespielt – ich habe doch den Thuri riesig gern gehabt – ich war ein dummes Viech! – Entschuldige diesen Ausdruck! – Weißt Du noch Kind – wie ich geweint und geschlottert habe bei Dir, um diesen Mann? Das damals mein Verstand nicht nachgelassen, ist mir heute noch ein Räthsel! – – verkauft – verrathen – und – für wen? – na – der Mann ist für mich verloren! Gott wie gern hätte ich diesen Menschen geheirathet – wie glücklich wäre ich gewesen – ich wäre ihm gewiß eine treue brave Frau geworden! – Aber da ergiesse ich mich wieder ins Herzenssachen die Dich mein lieber Hermann wohl wenig interessiren. – Also zur Heimath gehst hinein? – Gelt? – Es thut mir so leid das wir uns so wenig seh’n! Ich habe halt immer so viel zu thun – sonst käme ich zu Euch! –
Nun grüsse mir herzlich Deine liebe Frau von mir und Du selbst nehme die innigsten Grüße von Deiner alten treuen
Freundin
Adele Sandrock entgegen! –