Gerty Schlesinger an Hermann Bahr, [24. 10. 1897?]

Sonntag.

Lieber Herr Bahr

Bitte sind Sie nicht bös wenn ich Sie mit einer grossen Bitte belästige. Ein junger Schriftsteller dessen ganze Zukunft von Ihrer Protection abhängt hat mir das beiliegende Stück gegeben weil er überzeugt ist, dass es der einzige Weg ist, dass Sie es lesen.
Ich selbst finde, dass durch solche Stücke wirklich das Niveau gehoben wird. Und darauf kommt es doch an. Wenn es einmal dahin kommt dass der Herr Fiala solche Stücke schreibt – und dahin wird es kommen – wenn unser Karlweiss diese gelbe Venus noch oft herrlich aufgeht, dann werden unsere Schreibtische dem Hermannskogel ähnlich schauen, die Frau Charas wird schöner lächeln und die Einbände unserer Küchenbücher werden etwas Unvergängliches haben.
Das Stück selbst ist natürlich vollkommen werthlos, die Charactere sind von Rudolf Lothar der Dialog von Schnitzler, die Interpunktion von Peter Altenberg. Beim 270ten Verse hab ich lange an Ihren Napoleon denken müssen. Wer aber solche Töne der hellsten Unnatur anzuschlagen weiss, der soll unserem Theater erhalten bleiben.