Hermann Bahr an Gerty von Hofmannsthal, 3. 9. 1904

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Ich schreib grad an einem langen Brief über das »ger. Ven.« für Hugo, was mir nicht leicht wird, weil ich ihm doch auch meine Bedenken sagen muß, was mündlich viel besser geht, weil da der andere an unserem Ton, an unserem Blick doch immer merkt, wie gern wir ihn haben und daß uns vielleicht gerade deshalb auch sein Werk gar nicht vollkommen genug sein kann. Und während ich mich also plag, seh ich zufällig auf die Uhr und mir fällt ein, daß Sie jetzt gerade in Linz sein müssen, in meiner dummen kleinen Heimatstadt. Und ich stelle mir vor, wie Sie die ganze Zeit mit der Olga getratscht haben und manchmal der Arthur in seinem komisch ruhigen, jugendlich gesetzten Ton eine lustige Geschichte erzählt und Sie sich wieder so ausgezeichnet unterhalten wie neulich im Ottakringer, worauf ich ein bischen neidisch wurde, wütend bin, daß ich hier allein sitze, und doch, bei dem Gedanken an Sie, gleich wieder froh werde: denn diese wunderbare Woche hat mir ein so stilles Glück dankbaren Frohseins zurückgelassen, daß mir nun ist, als könnte ich nie mehr im Leben, was auch Böses noch mit mir geschehen mag, ganz traurig sein.
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