Arthur Schnitzler an Adele Sandrock, 27. 1. 1894

Samstag.

Liebste, einzige, ich sende dir tausend innige Küsse!– Wie gehts dir? Hast du wohl geruht?– Du, bei mir das ist das wahre Verhängnis – um 8!!! wurde ich aufgeweckt, und das war schon Gnade, denn es war um 7 um mich geschickt worden.– Jetzt eben waren Loris und Beer-Hofmann bei mir;– es scheint, dass Loris morgen mit Bahr zu dir kommen will, Abend, nach der Waise – unter uns, Schatz, du hast nichts davon zu wissen; – und wenn du’s mir erlauben möchtest, könnt’ ich wohl auch morgen Abend auf eine viertel Stunde zu dir??– (Bitte, du kannst gleich weg.) – Mein Kopf ist heut wieder nicht besonders ideal – du, heut früh – kaum dass ich eingeschlafen war, na, stellen Sie sich das vor! – – Wenn man um fünf Uhr früh noch glaubt, das Leben ist nichts als Liebe und Süßigkeit und Lust, und man möchte dann in diesem Dunstkreis weiter schlummern, und nun ist plötzlich das – andre Leben da, das Leben mit dem Zwang, der Sklaverei, und den Halsentzündungen; das thut weh, Madame.
– Jetzt, Schatz, hab ich zwei Besuche zu machen, und geh dann, weil ich mich ja zerstreuen muß, zu der Posse in die Josefstadt.
Mit dem Arbeiten wars heute so nichts.– Um eilf, mein Engel, zu der Zeit, wo ich im Central sein werde, wirst Du schon den tiefen Schlaf der Dämonen schlafen, und in alle meiner Zärtlichkeit für dich vermags ich nicht, mich in deine Träume zu schleichen. Hier hört sogar die Macht eines – Verehrers auf. Was macht das Ohr? Was machen die Nerven? Was machen die Launen und was macht die Laune?– Ob dieser Brief kühl klingt oder glühend, weiss ich nicht; – aber dass ich dich rasend lieb habe, weiss ich –
– Bevor ich morgen ins Theater geh, Du liebste Dilly, bekomm ich wohl noch zwei oder drei liebe Worte von dir zu lesen?–
Ich küsse die geliebten Augen
Dein
Arth