Brahm an Arthur Schnitzler, 5. 12. 1909

Berlin, 5. Dezember 09

Lieber Freund,

schönsten Dank für Brief, Medardus, Telegramm. Mit der Mizzi und dero Herrn Sohn steht die Sache so: Ich habe Philipp dem ebenfalls zurückgekehrten verlorenen Sohn Gebühr gegeben, der mir in der Arrangierprobe noch keinen greifbaren Eindruck gegeben hat. Ferner hat die Rolle des Philipp ein figürlich geeigneter, netter Junge namens Rudoff erhalten, als zweite Besetzung. Wächst sich Gebühr zu etwas Gutem aus, so müßte ich auf Edthofer verzichten, schon um den reizbaren Dresden-Herrnskretschener Vergnügungsreisenden nicht abermals in die Flucht zu schlagen, den ich für das Konzert dringend brauche. Glückt’s ihm nicht, den Philipp zu performieren, und kann ich ihm mit guter Manier die Rolle abnehmen, so würde ich das Angebot Edthofers gern annehmen. Inzwischen bitte ich Sie, ihm und Weiße meinen besten Dank zu sagen. (Ich melde mich natürlich rechtzeitig wieder.) Die Premiere soll am 23. sein. Nun aber gleich noch was, das ich Ihnen ohne Ihre Anfrage nicht geschrieben hätte, da es sich nur um eine Idee handelt, von der ich noch zurückkomme, wahrscheinlich. Bei den Arrangierproben wollte es uns scheinen, als ob Mizzi hinter dem Konzert schlecht stünde, außerdem aber, wenn wir uns nicht irren, als ob die Vorstellung beider Stücke den Abend übermäßig ausdehnte. Sollte sich nun dies bestätigen und aus dem Stadium der ersten Erwägungen zu dem definitiven Wunsche führen, das Konzert allein laufen zu lassen – was würden Sie dazu sagen? Erwäge ich Ihre Begeisterung für Das Konzert, so muß ich vermuten, Sie sagten nicht nein. Und wären evtl. auch mit der Aufführung der Mizzi zu späterem Zeitpunkt einverstanden, wo eine neue standesgemäße Verbindung für die Dame gefunden werden müßte, sei’s auch evtl. erst in der nächsten Saison. Die vielberegte Tantièmengarantie würde es Ihnen hoffentlich erleichtern zuzustimmen. Jedenfalls bitte ich um ein Wort von Ihnen, das mich wundersam berühren möge. (Obgleich, wie gesagt, dies nur ein Eventualvorschlag sein will.) Uff, das war eine Auseinandersetzung!!
Sie sagen mir nicht, was Sie vom »Pfarrer« des Dr. in Wien hielten? – An den Medardus hoff ich bald wieder zu kommen. Die Tage her ging es taubenschlagmäßig bei uns zu: Wassermann, Mann, Hauptmann – Männer kamen, Männer gingen. Schlenther denkt gewiß ernsthaft an den Medardus, nur ob er noch in diese Saison (und in seine Direktion?) fällt, scheint ihm zweifelhaft – schon der Helenen-Frage wegen.
Mir scheint der Semmering und Ihre Gesellschaft sehr gut angeschlagen zu haben, denn alle Leute rühmen meine blühende Schönheit. Aber in diesem Berliner Hexenkessel wird sie bald zerkocht sein. Wo sind die Tage des Wasserleitungsweges und der Elisabeth Niese? Herzlich Sie alle begrüßend,
O. B.