Brahm an Arthur Schnitzler, 16. 12. 1909

Berlin, 16. Dezember 09

Lieber Freund,

zunächst danke ich Ihnen für Ihr schnelles Entgegenkommen in der Mizzi-Frage. Am Schluß des Abends hätte sie, wie uns immer klarer wurde, nicht gepaßt; für den Anfang sind Sie nicht (und es wäre wohl auch schade drum, das vielgeprüfte Fräulein hier hinzustellen), so lassen wir also Bahr allein reisen. – Das Schönste wäre ja nun, wenn Sie, piano, piano, zwei weitere Einakter schrieben, mit denen zusammen man in nächster Saison die Mizzi vom Stapel lassen könnte. An Stoffen fehlt es Ihnen ja nicht, und Sie wollen doch am liebsten mit sich selbst ge . . . , oder nein also: gefallen. Sollte ich in nächster Saison das Stück nicht bringen können, dann natürlich müßte ich Ihnen die Mizzi zur Verfügung halten und Sie mir jenes Garantierliche. Aber ich wünsche und glaube und hoffe, daß wir das hübsche und vielgeliebte Mädchen passendst unterbringen.
Zum Medardus lassen Sie mich nur kurz dieses sagen: ich habe ihn von neuem mit größtem Interesse gelesen. Die Striche schaffen in mancher Hinsicht Erleichterung (manche aber sind so grausam, daß ich mich nicht hineinfinden kann). An eine Aufführung aber könnte ich mich nicht trauen. Dazu gehört eine Drehbühne, ein sehr großes Personal – und sehr viel Geld. Woher soll ein ehrlicher Mensch bei unseren, dank Max Reinhardt u. a., so desolaten Theaterzuständen das nehmen? Auch mir widerstrebt die Aussicht sehr, daß Sie nun »mit diesen Leuten weiterverhandeln« könnten, und nur der Zwang der Umstände ist es, der mich – sehr gegen mein Wünschen – zu dem negativen Resultat kommen läßt: I trau mi nöt. – Schlenther hat mir in der Tat damals bei Meißl und Schadn den Eindruck bestätigt, den ein Brief an Sie erweckte: wenn Zensur und Drehbühne stimmen, dann sei’s so weit. Und auf meine Frage, was bei einem Wechsel der Direktion Ihnen die Annahme nütze, erwiderte er: er werde Ihnen, wenn Zensur und Drehbühne stimmen, die Annahme außer durch den Kontrakt noch in Briefform mit einer Terminangabe anzeigen, und an die müsse auch der evtl. Nachfolger sich gebunden halten – meinte er. Das war’s, was ich sein ernsthaftes Medardus-Denken nannte. Herzliche Grüße für Sie alle. Was macht Pötzleinsdorf?
Ihr
O. B.
Ich bitte Sie beide, die Geschichte von Fr. F. und d’A., die ich neulich erwähnte, zu vergessen. Es haben sich große Varianten, Kämpfe, Erörterungen ergeben, und man weiß nicht, wo der Klatsch aufhört und die Realität der Dinge anfängt. – Die Korrekturbogen folgen.