Brahm an Hermann Bahr, 24. 6. 1909

Bad Nauheim, Hotel
Hohenzollern
24. 6. 09

Lieber Herr Bahr,

ich danke Ihnen schön, dass Sie soviel Geduld mit mir gehabt haben. Ich war in Wien so im Trubel, dass ich erst hier zur Würdigung ihres Jüngsten kam; und da die Besetzungsfragen Ihnen so im Kopf herumgingen, hab ich mir erlaubt, das Stück auch gleich an Lessing zu schicken. Was Sie also hier lesen, ist das Resultat unserer gesammelten Weisheit, Brahmsche plus Lessingische Dramaturgie.
Der liebliche, niedliche J. ist ein ahnungsvoller Engel, und ich möchte das Stück das ich fein und lustig finde, ebenso spielen lassen. Besonders: lustig. Nur, als »abendfüllend« scheint es mir ungeeignet: es müsste sehr stark gekürzt werden – machen wir schon, wenn Sie uns segnen – und durch einen Einakter eingeleitet oder beschlossen werden. Sonst sagt man uns: zu dünn, zu breit geredet, zu pedantisch genau am Ausschöpfen jeder Wendung und Biegung. – Wie dächten Sie, falls Sie meinem Wunsche entsprechen, über Schnitzlers Mizzi als Beigabe?
Nun die Besetzung. Ich habe Lessing folgendes vorgeschlagen: Heink – Reicher, Monnard; Marie – Lehmann, Triesch; Jura – Monnard, Gebühr; Delfine – Herterich, Orloff; Eva – Orloff, Herterich. Er hat überall die zuerst genannten für die besseren gehalten und ich tue es auch, genau so. – Reicher wird das Charakteristische und den Humor am sichersten herausholen, die Grenze zwischen Alt und Jung trifft er gewiss, die Hinweise auf die Schönheit des Mannes lassen sich wol etwas kürzen; und R. hat jetzt eine zweite Blütezeit, die Leute haben ihn wieder gern, – kurz ich mache mich stark für ihn. Lehmann fänd ich hervorragend für Marie; und ich glaube, sie wird im Winter wieder bei uns spielen (Dies aber völlig unter uns, nicht wahr.) Gebühr halt ich etwas zu leicht für den Jura, Monnard, der manche »Veilchenfresser« gespielt hat und Lustspiellaune besitzt, erschiene mir besser. Man könnte aber in den ersten Monaten der Spielzeit noch sehen, ob man diese »Neuen« auch anders und kennen und erraten lernt. Die Aufführung dächt ich mir im December oder Januar.
Sagen Sie mir nur Ihre Meinung, Verehrtester, und seien Sie schönstens gegrüsst, mit allen guten Wünschen.
Ihr
OB
Vom Lessing-Theater kommt Ihnen der Liebesbrief mit 3000 Kronen, was Ihnen doch nicht unangenehm ist?