Arthur Schnitzler an Emerich von Bukovics, 11. 12. 1901

Wien, 11. Dezember 1901.

Sehr geehrter Herr Direktor!

Auf Ihr freundliches Schreiben vom 9.d.M. habe ich Folgendes zu erwidern:
1. zum Fall »Lebendige Stunden«. Etwa um den 20. November herum schrieb ich Ihnen einen Brief, in dem ich die Forderung einer Tantièmengarantie aufstellte. Sie antworteten mir aus Paris, dass Sie die obschwebende Angelegenheit nach Ihrer Rückkehr in Ordnung bringen wollten. Einige Tage nach Ihrer Ankunft baten Sie mich in Ihr Bureau. An diesem Tag, dem 3. Dezember, besprachen wir die eventuelle Besetzung und den Aufführungstermin. Ueber die Tantièmengarantie wurde nichts gesprochen, woraus ich den Schluss zu ziehen berechtigt war, dass sie mir gewährt, nicht aber, dass sie mir verweigert werden sollte, denn im letzteren Fall wäre für mich überhaupt kein Anlass mehr vorgelegen, mich in Ihre Kanzlei zu bemühen. Ich sehe mich zu dieser Erklärung genöthigt, weil die Stilisierung Ihres Briefes bei oberflächlicher Lectüre die Deutung zulassen könnte, als hätte ich meine Forderung, die Tantièmengarantie betreffend, erst nach unserer Verhandlung vom 3. Dezember an Sie gerichtet. Wenn ich mich überhaupt entschloss, endlich – etwa Mitte November – jene Forderung einer Tantièmengarantie zu stellen, so hat das seine Ursache darin, dass die bis dahin von Seite des Volkstheaters mit mir geführten Verhandlungen mir des nothwendigen Ernstes durchaus zu entbehren schienen. Das Angebot, mit welchem die Direktion des Deutschen Volkstheaters meine Forderung einer Tantièmengarantie von 3000 Kr. zu beantworten sich erlaubte, ein Pönale von 1000 Kronen!! giebt meinem Zweifel besser Recht, als jede weitere Ausführung zu thun vermöchte. Mit diesem Angebot, in dem auch nicht der leiseste Versuch eines Entgegenkommens gemacht wurde, war jede Möglichkeit einer Verständigung für mich vollkommen ausgeschlossen, und Sie durften nichts Anderes erwarten, als die Rücksendung des Contractes.
Was nun zweitens den »Grünen Kakadu« anbelangt, so sollte er bekanntlich in der vorigen Saison zusammen mit »Litteratur« und »Marionetten« gegeben werden. Kurz vor Ablauf des contractlich festgesetzten Termins, in den letzten Febertagen, erschien über Ihr Ersuchen Herr Hermann Bahr bei mir und bat mich in Ihrem Namen, in eine Verschiebung zu willigen, was ich gerne zugestand. Diese erste Verschiebung geschah also nicht auf meinen, sondern auf Ihren Wunsch, wenn auch mit meiner Einwilligung. Sie wissen sehr wohl, dass ich schon damals berechtigt gewesen wäre, das Pönale zu fordern. Meiner persönlichen Empfindung nach hätten Sie mir damals schon zum mindesten dieses Pönale als Tantièmengarantie anbieten müssen oder mir bald darauf einen neuen Contract vorlegen müssen. Mein Recht auf das Pönale ist keineswegs dadurch erloschen, dass ich in dieser Saison die Verschiebung selbst gewünscht, umsoweniger, als Sie in gemessener Entfernung von jedem Billigkeitsgefühl nicht einmal die in meinem Brief von Mitte November gewünschte Umgestaltung des längst fälligen Pönales in die Tantièmengarantie zu acceptieren geneigt waren. Aber ich will den von Ihnen betonten Zeitverhältnissen Rechnung tragen und verzichte hiermit auf die mir rechtlich zustehenden 400 Kr. zu Gunsten Ihres schwergeprüften Theaters.
Zum Schlusse noch die Versicherung, dass diese rein formellen Meinungsverschiedenheiten mit meiner Hochschätzung für Ihre Person nicht das Geringste zu thun haben, und dass ich mich wie jederzeit auch heute unterzeichne als Ihr sehr ergebener