Arthur an Olga Schnitzler, 7. 9. 1919

Dr. Arthur Schnitzler
Express
Frau Olga Schnitzler

Wien, Sonntag 7. 9. 1919

liebe, heut Mittag als ich vom Hameau nach Hause kam, deine zwei Expressbriefe,– der eine aus Reichenau hieher geschickt, vom 2., der andre directe, vom 5. Die Ausweisungsgefahr wird wohl nicht so groß sein, und keineswegs wird man Maschinengewehre auffahren lassen oder mit ihnen drohen, wie es in Strobl geschehn sein soll. Also Partenkirchen willst du am 25. singen? Ich dachte eigentlich, möglichst nah vor dem Münchner Concert. Und daß dir die zweimalige Reise nach Partenkirchen innerhalb so kurzer Zeit unbequem sein sein müßte. Das Fogessche Recept leg ich bei. Du weißt ja, allmälig ansteigend von 6 Tropfen täglich bis etwa 24 und dann wieder zurück. Übrigens wirst du auch ohne Arsen schön singen. Wovon hängt denn die Wassermann-Sache eigentlich ab? Und wer soll dich denn in Partenkirchen begleiten? Den Liesl Brief hast du wohl erhalten. Lili Feiks, nun auf der Rückreise nach Budapest hat wieder telephonirt; erzählt dss es Liesl so gut gehe wie noch nie. Aus Ungarn wahre Greuelgeschichten. Die Weißen noch viel mordlustiger als die Bolschewisten waren. Die Welt ist schon einmal so, dss einem immer die Wahl weh thut.
Ich hab mich nun entschlossen, morgen Montag nach Reichenau Kurhaus zu fahren und bis Freitag früh dort zu bleiben. Also am Dinstag könntest du noch eine Expressnachricht für mich dorthin dirigiren. Lichtensterns sind kaum mehr dort. Ama mit Mimi fahren erst Donnerstag hin. Doch haben Mimi mit Vicki sich eben für heute Abend bei mir angefragt und angesagt.
Wirtschaftliches (Zucker, Holz etc) berichtet Wucki. Es ist alles in tadelloser Ordnung (abgesehn von dem Reinemachaos). Heini von Robert sehr entzückt; spielt den ganzen Tag – allerdings Carmen; ist eben bei Fräulein Mandl. Lili spielt Croquet im Garten, meist allein – heute mit der (Zucker gebracht habenden) Fingi. Das Wetter ergreifend schön; besonders die Abende.– Emil Alph.; – und GretheParis find ich sehr Rzeszow-voll. Der liebe Gott macht überhaupt nicht viel mehr als Nutzanwendungen zu jüdischen Anekdoten.
Hermann B. unsichtbar? Grüß mir den Jubilar wenn er vorlesen kommt. Ich hoffe es geht dir wieder gut;– und es war eine Lampenmelancholie. leb wohl und sei innig gegrüßt.
A.
(Ich lasse dir durch die B Cr 1 tausend Kr. schicken.)