Mein Liebes, seit gestern eine Menge erlebt: also erst mit
Zweig hinauf in sein wirklich schönes, hauptsächlich herrlich gelegenes altes Haus,– er
hat kaum etwas richten lassen, weil er ja überhaupt in übertriebener Weise hier den
armen, besitzlosen Mann spielt. Aber diese schönen Räume! vor allem die Terassen ganz
gegen Süden gelegen, mit Blicken, dass man jauchzen möchte. Das ganze hat er, mit
vielen hübschen alten Möbeln, von D
r Kranz um 90.000 Kr. gekauft! Er war,– wie seine
Frau – sehr, sehr lieb, schwärmte von
Bahr,– er will mich nächste Woche zum Spazierengehen abholen. Erzälte mir von der
Lehmann, er sei neulich in einer Stunde gewesen, er werde mir Eintritt verschaffen, u. z.
durch Frau
L. Andro, die die berufmässige Vergötterin der
Lehmann ist, und alle deprimierten Schülerinnen seelisch aufrichtet. Die
Lehmann ist nämlich berühmt streng.
Kaum bin ich wieder im Hotel, lässt sich Frau
Andro-Rie bei mir melden, – es ist geradezu putzig, wie lauffeuervoll diese Stadt ist! ich
ging mit ihr in einem Fachsimpelgespräch gegen die Stadt zu, da sprach mich eine Dame mit grosser Herzlichkeit an, meine alte
Schulfreundin
Mizi Fechner. Trennte mich von Frau
Andro, führte
Mizi ihren
Sohn auf den
Petersfriedhof, sie ist leider eine recht gewöhnliche Dame geworden, aber lieb und hübsch. Nach
Hause, in’s Foyer um zu nachtmalen,
Harta u.
Grosz kamen,– ausgezeichnetes Gespräch mit
Harta, der sehr gescheidt und und weit herumgekommen ist. Freund von
Schüleins. Nach dem Nachtmal gleich
Gretel.
Heut früh holte mich
Harta in’s
Künstlerhaus, eine kleine Ausstellung von wirklichem Niveau, seine Bilder mir die liebsten, namentlich
ein grosser farbiger Akt und eine köstlich bewegte Ansicht von
Salzburg, auch eine hölzerne alte Madonna von einem leuchtend rosa Hintergrund. Er ist von
Greco, von
Van Gogh – beeinflusst,– aber ein Mensch von Verstand, von Rhytmus, von Kultur, dann noch
Bilder von
Faistauer (nicht alle!) und 3 Bilder von
Schülein, nervös, fahrig, – aber Niveau.
Prachtvolle Zeichnungen von
Schiele, enorm reizvolle kleine Aquarelle von
Gütersloh. Im Regen zurück, direct ins
Mozarteum in die Stunde der
Lehmann, – das Ceremoniell ist, – hereinkommen, nicht grüssen, sich still hinsetzen. Das
tat ich, sie sah, trotz ihrer intensiven Aufmerksamkeit beim Unterricht ein paar Mal
interessiert herüber, – was sie selbst stimmlich zeigt, ist prachtvoll, – aber ihre
Methode zu compliciert, zu sehr Geheimwissenschaft. Ich hörte leider keine gute Schülerin,
um ½ 1 war der Curs aus. Mit
Gretel gegessen, geschlafen, wieder
Mozarteum, zu einer,
nein! der Vorbereiterin und Freundin der
Lehmann, eine sonderbare, lange hagere
Amerikanerin, sie sieht aus, wie ein fanatischer Mönch. Sie studierte mit Frau
Gerstmann, einer bekannten Concertsängerin, – empfing mich mit grosser Güte. Sie hat mir in
ihrem Fanatismus fabelhaft gefallen, – aber
Steiner lehrt das alles viel einfacher und selbstverständlicher. Sie erklärte mir allerhand
Technisches, erfreut über mein rasches Verstehen, – und lud mich ein wiederzukommen.
Marie Lehmann trat ein, der ich vorgestellt wurde.
Dann mit
Grosz köstlich studiert, diesmal in einem kleinen Zimmer, – im grossen Saal war Probe,
– ich freute mich diebisch, dass ich das alles ohne Qual machte, was die drüben so
sauer erlernen, (oder auch nicht erlernen!) die zweite Gruppe fürs erste Concert fertig
gemacht.
Mahler –
Strauss, dann das herrliche
Ravel-Lied studiert, – sag dem
Heini dass ich die schwere hohe Stelle schon kann!
Zurück, es regnet den ganzen Tag in Strömen! jetzt zieh ich mich gleich an und geh
mit Frau
Andro in’s Theater zu
Lumpacivagabundus, Wohltätigkeits- und Arbeiter-Vorstellung, vom
Landesbildungs-Amt arrangiert.
Leb wol, ich kenn schon so manche Sängerinde von hier, Schülerinnen, es singt hier
an allen Ecken – ich bin so froh in dieser Atmosphäre von Arbeit, Arbeit, Sachlichkeit.
Küss die
Kinder tausendmal!
Innigst Dein
O
.
Jemand, ein Kunstjunge, bittet dich um ein Autogramm, – sei lieb und schick mir eins,
ja?
Der liebe
Paumgartner hat auch bei
Zweig in hohen Tönen von mir erzählt.
Alle Leute jammern, dass die
Bertel nicht gekommen ist!