Olga an Arthur Schnitzler, 20. 9. 1919

Samstag, 20. Sept. 19. Nach Tisch.
Liebes, eben komme ich von Steinlechner, gutes Gasthaus in Parsch, nachhause, wo ich mit Frl. Kowo, Aranyi, Grosz, Herrn Metzl und einem holländ. Herrn vom hiesigen Passamt herrlich und billig gegessen habe. Griessuppe, Kalbsstelze, Gemüse, Topfenstrudel, Milchkaffee,– 18 Kronen. Wie da auf Wien geflucht wurde,– da bin ich ein Haserl dagegen. Die Nachrichten, aus Wien regen hier sehr auf, keiner will mehr dort bleiben. Jetzt heisst es, die Züge werden gänzlich eingestellt. Wie soll das alles werden?!!
– Also schnell über’s gestrige Concert, Aranyi nimmt diesen Brief mit. Die Sonate von Grosz ein sehr starker Erfolg, nach einer köstlich geschickten, rund herum betamten Rede von Paumgartner. Rasende Hitze im Saal, die meine Stimme, für mein Gefühl, stark verschleierte. Aber die Lieder, namentlich Ravel, wirklicher Erfolg. Ich glaube, ich hab sehr gut ausgesehen. War totunglücklich über mich, wie gewöhnlich, aber die Mildenburg, die mir schon vorher schöne Rosen brachte, redete es mir sehr aus, und lobte mich. Jetzt will sie mich aber deutsch singen hören. Wieder sehr lieb. In einer Stunde geh ich wieder in ihren Curs.– Die Heims war gestern auch drin.
Blanc et noir gefiel auch. Erstaunlich cultiviertes Publicum. Das Concert ¾ verkauft,– die Wassermänner sehr froh. Schöne Blumen von Harta, Zweig etc.
Über Prechner und das Landesb.-Amt mich heute schon rasend geärgert. Der Nachfolger annulliert alles,– lies beiliegendeNotiz, mein Concert findet nicht statt,– ich werde es wol intern abhalten, das wird heute mit Paumgartner besprochen, ich schreibe Dir dann gleich darüber.– Heute schon Bahr mit Prof. Redlich getroffen, die mir beide gratulierten.– Aranyi wird Dir, und objectiver als ich, erzälen. Es tut mir leid, dass Reichenhall abgesagt ist,– immer dasselbe: man muss 2–3 mal wöchentlich singen, um in Schuss zu kommen. Kritiken, die heut abends erscheinen dürften, schick ich Dir gleich. Die Kolap soll mir nur alles verlangte gleich schicken, bitte! ja? Mein Geld geht auch zu Ende, ich ärgere mich so unbeschreiblich, dass ich so lang dasitze, mich vorbereite,– die Karten sind gedruckt! – und es dann so verschlampt wird. Erzäl vorläufig Niemandem davon, ich schäme mich geradezu, obzwar ich schuldlos bin,– nur der Kolap sag’s. Es ist ein starkes Stück.
Leb wol, in Eile alles Liebe, küss die Kinder tausendmal!
Grosz geht mit Scandalmachen geladen herum!