Lieber Arthur, heut früh kam ein Brief von
Krell, der alles aufklärt. Es geht
Lisl recht schlecht, sie ist eigentlich nicht mehr dispositionsfähig, wechselnd in ihren
Entschlüssen, und es sieht nicht so aus, als sie diese Attaque wird aushalten können
Es kann aber noch Wochen dauern, schreibt Krell.. Ich würde Dir
Krells Brief schicken, aber ich werde ihn wol für Passverlängerung etc. brauchen, denn
ich werde ja doch wol fahren müssen. Nur ist alles für mich jetzt complicierter: Pass,
Streiks, – meine eigene Erkrankung.
Ich will
Krell morgen telef. anrufen. Man hätte mich ruhig weiterreisen lassen sollen, ohne
Lisl’s Wissen, das wäre viel gescheiter gewesen. Sie wollte auch
Albert, auch
Lucy nicht haben, ist aber jetzt ganz froh, dass
Lucy dort ist, – an
Albert hat
Edschmidt nach
Berlin ausführlich telegrafiert, man glaubt, er wird zu reisen versuchen. – Heut lese ich
nun zum 1. Mal in diesen Tagen die Zeitung, und bin entsetzte das das polit. Bild
in
Deutschland. (Und der alte
Benedikt ist tot, jetzt muss sich der
Karl Kraus erschiessen.) Und morgen ist die Generalprobe der
Schwestern, ich denke dahin und seh dieses Bild vor Augen, die Bühne, die hellen Farben, die
Schauspieler, und nach der anderen Seite dieses arme Wesen, das mit erbitterter Energie,
mit Hass und einer Kraft ohnegleichen um ihr Leben kämpft,– denn sie lebt gern. Wir
furchtbar – Und wie viel verliere ich: ein
Urgefühl, trotz aller Missverständnisse. Eine Zuflucht und sehr viel Liebe. Gemeinsame Erinnerungen
an Kindheit,– gleiches Blut,– zum Teil parallele Entwicklung. Nur meine
Kinder hab ich noch, an die ich mit so ewigen Banden geknüpft bin. Alles andere hat nicht
Stand gehalten, ist wechselnd und brüchig geworden. Ich verliere zweierlei Heimat
auf einmal, muss ganz auf mich gestellt sein.
Wir werden, Arthur, auch nach aussen in’s Klare kommen müssen, gerade jetzt, es geht
schon in Einem. Es ist hart, es fasst mich hart an,– aber es wird schon so sein müssen.
Es geht mir besser, der Hals tut nicht mehr weh, aber jetzt ist ein bischen Belag
da. Früh war die
Mildenburg bei mir, sie sprach so klar und gross und steinhart von ihrer Unbeugsamkeit, sie
sei kein Hiob: »Warum denn klein werden und zu Kreuz kriechen, weil’s Einem schlecht
geht?! ich glaub nicht an Schicksal. Das Leben ist schon so, fertig. Ich glaub nicht
an Prüfungen und Läuterungen,– ich hab schon meinen Gott, dem bin ich in meiner Kunst
näher gekommen, wie die, die in den Kirchen herumrutschen.« Sie spreche mit
Bahr ganz selten darüber,– es hätte keinen Sinn, er sei glücklich und sie könne nicht
auf katholisch »glauben.« Sehr humorvoll von ihrer ersten Communion, die sie als schönes
Theater empfunden habe.
Nach dem Essen bin ich aufgestanden, um diesen unaufgeräumten Hotelzimmer (24 Kronen,
ein schmales Kabinett, das im Sommer 8 Kr. gekostet hat,) ein entfliehen, ich war
ein bischen unten, Orangen und Ansichtskarten kaufen, aber ich war so schwach und
schwindlig, dass ich wieder zurück und in’s Bett bin. Ich hab übrigens noch nie im
Leben in so einem zerlumpten und löcherigen Bettzeug geschlafen.
Gretel ist viel bei mir, sehr lieb und wirklich freundschaftlich. Ich werde ganz gut bedient,
aber das Essen ist hier nicht mehr gut, lieblos mit schlechtem Fett gekocht, im
Mirabell köstlich aber teuer. Ich werde Dich bald um Geld bitten müssen, obzwar ich noch über
1000 Kronen hab. Ich habe mir um 300.– Kr. (für mich) was hier gekauft, das ich Dir
von meinem privaten Geld zurück.
Dass mir der
Präsident deutsches Geld an die Bahn gebracht hat, wirst Du von
Gerty wissen, bitte gib es ihm möglichst gleich
in Mark zurück! Ich habe sie, natürlich unangetastet, bei mir.
Dem
Harta werd ich morgen auch noch nicht sitzen können, ich hab auch gar keine Ruhe. Wie sehr
sehne ich mich nach innerer und äusserer Ruhe, es wäre gar nicht schwer, sie zu finden,
igrendwo still auf dem Land leben, ohne diese fortwährenden aufreibenden Begebenheiten.
Ich spür mein Herz wieder sehr, namentlich heute.
Leb wol, lass es Dir wol ergehen. Vielleicht
× ist die
Kolap so lieb, das Küchen- und Wirtschaftsbuch mit hausfräulichen Augen zu überprüfen. Auch damit soll sich jetzt einmal wer Anderer herumschlagen,– ich komm nicht mehr,–
vielleicht machts wer Anderer besser als ich.
Nur mein
Häschen, mein liebes
Kind will ich haben, so viel wie möglich.
Der
Heini soll lieb sein und zwar ausführlich über die »
Schwestern« schreiben. Ich hoffe, es geht ihm gut, ohne seine allzu strenge Mutter.
×.