Olga an Arthur Schnitzler, 23. 11. 1921

Mittwoch nach Tisch, 23. Nov. 21.

Mein lieber Arthur,

Dein liebes Telegramm hab ich eben bekommen und sofort an Hajek geschrieben.
Ich habe einen wunderbaren Vormittagsspaziergang mit Bahr hinter mir, von 10 bis ½ 1, in einer ganz von Nebeln verschleierten Landschaft, mit viel Rauhreifkristallen an jedem kleinsten Zweig,– und bin sehr heiter und gehoben von dem unbeschreiblichen Gespräch,– das wieder vom ersten Moment an, frei und gut und schön war, abgesehen von den vielen heitern Geschichteln,– dieser Mensch ist wunderbar in seiner Reife und Gelassenheit, dem Leben wie dem Tod gegenüber,– denn auch vom Tod, vom Sterben war,– na, was denn?! würdest Du sagen,– die Rede.
Versäume es nicht, wenn Du irgend Gelegenheit hast, mit ihm zusammen zu sein,– er wird Dir Freude machen.
Ich selbst empfinde ihn,– gerade jetzt,– ihn und seine Güte gegen mich, sehr woltuend. Wie Du weisst, fahr ich um 6 Uhr nach München, von wo er gestern kam,– er hat mich aufgefordert, seine Frau unbedingt aufzufordernsuchen,– pardon, ich dachte eben an eine Wendung des Gesprächs,– das mir noch lange nachgeht, an dem man lernen kann. Er weiss so viel, und weiss es so lebendig.
Irgendwo im Archiv wird sich ein Buch von mir finden, die »Diätetik der Seele« von Feuchtersleben,– mit einer Widmung von der Mimi, die es mir einmal geschenkt hat,– wenn ich das gelegentlich bekommen könnte?! – Die arme Odilon haben wir auch getroffen, sie ist noch immer schön und lacht noch immer sehr reizend,– aber es ist ein sonderbarer Anblick. Leb wol, Lieber, schreib mir bald, ja? Alles Innigste,
O.