Samstag, 3. December. 21.
Mein lieber Arthur,
eben mit einem frisch erworbenen Schnupfen erwacht, den ich mir bei dem Warten auf
das Telefongespräch mit Euch geholt zu haben scheine,– denn unser Hotel ist nur in
einzelnen Räumen geheizt,– will ich Dir gleich sagen, dass mir der Gedanke an ein
hier mit den
Kindern verbrachtes Weihnachten viel Verlockendes hat. Und wenn es sich also machen lässt,
dann bitte ich Dich
sehr, mir mein
Häschen zu schicken,– der
Heini kommt ev. nach, damit Du nicht ganz allein bleibst,– aber so hätt ich doch die beiden
Kinder viel näher und wirklicher bei mir als in
Wien.
Ich würde dann sehen, das neben meinem Zimmer liegende Appartement,– es ist heizbar,–
zu bekommen,
Lucy käme dann auch hieher, was sie ohnedies vorhatte,– und wir würden ein wunderschönes
kleines Tannenbäumchen mit allem Zubehör aufputzen, damit sich die
Kinder so wol und glücklich als nur möglich fühlen.
Auf einen
Wiener Zahnarzt werde ich dann eben verzichten,– und mir von dem guten tüchtigen D
r Schwabe hier so viel als möglich richten lassen,– und alle Toilette-Fragen erledigen sich
ja von selbst, da ich hier in dieser Richtung wenig verpflichtendes Leben führe, und
ich von den Berichten der Frau
Stoessler weiss,– dass
Wiener Kleider für mich nicht in Betracht kommen. –
Sie hatte sich zwei neue – wie sie behauptet, wahrscheinlich die letzten Kleider ihres
Lebens, machen lassen,– sehr einfach, sehr schön, in einem nicht ersten Haus,– und
ein dunkelblaues Kleid kostet 90.000 ein schwarzes Abendkleid 135.000Kr. Ein Stückel
rosa Wäscheband, 10 mtr,, 4800 Kronen,– aber ich weiss genug, und hab in
Wien nichts zu suchen. Es gibt hier eine gute Schneiderin, Frau
Juvan, zu der werde ich, dank Deinem grossmütigen Nicolo-Geschenk, einen braunen Wolltricot-Stoff
tragen, den ich aus
München habe, er hat im Sommer noch 300 M. alser ganzer gekostet,– und ihn mir mit einer alten
Pelzverbräunung anprächtigen lassen.
Auch eine kleine geschickte
Modistin gibts, die mir neulich zwei Hüte, zusammen 7000 Kronen, gemacht hat,– ich freu mich
ungemein, den Irrsinnspreisen ein Paroli zu biegen, und dabei ganz möglich auszusehen.
Eben ein sehr lieber Brief von der
Garda, das sind gute treue Freunde. Von
Lucy ist zu sagen, dass sie sich sehr an mich klammtere,– durchaus zusammengebrochen,
sehr wärmebedürftig, sehr ihre Wesensfehler ahnend, mit Gott im Kampf, immer in telegrafischer
Verbindung mit oben, aber mit einem verzwickten, quälerischen ungütigen Gott, der
ihrem eigenen Wesen entspricht. Und so wie ich meine, bleibt sie ein verstossenes,
ewig unblühendes Kind, weil Gott erfasst, aber nicht erklügelt sein will.
Ein bissel weniger Sorgen sollt sie haben, weniger Unsicherheit zu ihrer Stellung
im Theater, der Kampf wird eben überall härter,– ich werde ihr zu Weihnachten ein
bissel Geld schenken, ich hab alte Kleider zum Verkauf gegeben, davon soll sie die
Hälfte des Erlöses bekommen.
Im übrigen in
München die alte, mir ja nicht vollkommen entsprechende Bohème-Atmosphäre,–
Schülein, der kräftig an der Börse spielt, und die beneideten outsider
Rosenbuschs bilden Ausnahmen.
Wie ich höre, ist die
Glümer ans
Hoftheater engagiert,– und wird, unter all den ältern und alten Frauenzimmern kein ruhiges Leben
haben.
Da der Klatsch unermüdlich tätig ist, hat man mir nicht verfehlt, sofort zu berichten,
dass Du, Arthur, das Glück anderweitig gefunden zu haben scheinst, das Du in meiner
Person nicht finden konntest. Wenn das so ist, so kann ich mich als Dein Freund, der
ich bin und bleibe, nur, wenn auch mit zwei nassen Augen, darüber freuen.
Die
Mildenburg, die sehr beschäftigt ist, hab ich in ihrem Curs besucht,– sie möchte mich länger
und ausführlicher sprechen, wenn sie vor Weihnachten hieher kommt.
Walter getroffen, der mir von selbst einige sehr warme, sehr teilnehmende, sehr menschliche
Worte über mein Schicksal sagte.
Was Du von
Bahr in Deinem Brief sagst, mag auf seine frühere Zeit stimmen: Du wirst ihn ganz verändert
finden, er ist klar, bestimmt und sachlich, aber höchst sachlich geworden, da er
sich selbst im wahrsten Sinn gefunden hat,– darum geht ja so viel Gutes und Befestigendes von
ihm aus.
Ich muss Dir einmal eine Geschichte von ihm und
Shaw erzälen,– in der er voll Selbsterkenntnis dieser seiner gelegentlichen feuilletonistischen
Seite gegenübersteht,– sehr amüsant. Auch sagte er neulich so ausgezeichnete Dinge
über die menschliche Bosheit,– über die Verführung der geistigen Bosheit, Beispiele
Voltaire,
Friedrich d. Grosse,– und anschliessend, der
Hugerl, und er selbst,– er hat sich einen
Witz sehr vorgeworfen, den er neulich hier auf eine Demimondaine gemacht hat, die ein
Herr hier heiraten wollte, und mit diesem rasch die Runde machenden Witz – ist die
Dame wahrscheinlich unmöglich gemacht worden. Er hat keine Spur von Scheinheiligkeit,
aber er hat mit grossem Ernst an sich gearbeitet, und wenn ein Mensch durch den Katholicismus
oder sonst was
so weit werden kann, dann ist auch
das Mittel gut zu heissen, das ihm auf diesen Weg verholfen hat.
Von der
Alma hab ich ein paar
sehr liebe Zeilen, in denen sie eber nichts von ihrer Krankheit erzält.
Alles Gute und Herzliche, Arthur, auch zu der
Première am Mittwoch. Deiner
Schwester schreib ich bald, so bald ich kann, sie hat mir die Festlichkeiten sehr ausführliche
geschildert. Küss meine geliebten
Kinder, sie sollen mir schreiben.