Lieber, eben kommt Dein Telegramm, das mir das
Kind erst für Freitag ankündigt,– ich hoffe, dass daran nicht ihre Erkältung schuld ist,
sondern die schwer zu erlangenden Platzkarten.
Wenn der
Heini über Sylvester da bleiben könnte, wär’s wunderschön.
Ich komme eben von einem Spaziergang mit
Bahr,– gegen
Maria-Plain an der Salzach entlang, unter einem herrlich farbenglühenden Himmel,– ich hab gebeten, ihm den
Heini vorstellen zu dürfen und: »er wird sich freuen.« Er war wieder sehr lieb, lässt Dich
herzlich grüssen, und möchte auch Dich gern einmal wiedersehen. Heut hab ich ihn fast
ununterbrochen reden lassen,– viel über Theater, über
Goethe,
Stendhal,
Hugo’s neues »
Welttheater«, das sehr schön sein soll. Auch über Gelddinge, seine Lebensweise,– er isst seit 12 Jahren kein Fleisch mehr, geht abends meist vor 7 in’s Bett und liest
bis 11 Uhr.
Seit vorgestern Abend ist die
Lucy da, leider kann sie nur bis Freitag bleiben, wird also das
Häschen grad noch an der Bahn erwischen. Sie ist recht müd, war daher auch nicht mit spazieren,
und sehr, sehr lieb. Erpicht darauf, dass ich bald nach
München übersiedle. Die Wohnungsfrage ist wieder eine Schwierigkeit,– aber ich möchte doch
jetzt mit Energie suchen, um aus diesen Provisorien herauszukommen. Ich fange an,
mich nach einem ruhig abgeschlossenen Heim, nach meinen Möbeln und nach Arbeit zu
sehnen. Im
Herzogpark wird viel gebaut, vielleicht hab ich Chance, zwei Zimmer zu bekommen.
Roessler hat in
München von Dir erzält, Du sähest gut aus, seist sehr vergnügt und »überall zu sehen«. Auch
Chapiro hat mir von Dir berichtet, Deinen Reiseplänen (
Berlin, Vorlesung in
Prag) und ich freue mich Deiner Geselligkeit und Agilität, die Dir sicher gut bekommen.
Jean Jacques berichtet sehr betrübt, er müsse im März aus seiner Wohnung raus, das ist jetzt wirklich eine Katastrophe, denn Hotels und
Pensionen sind sehr teuer. Auch Frau
Stoessler, deren
Tochter eben hier ist (sie ist
sonst im Pensionat der
Anneliese in
Partenkirchen) möchte eventuell nach
München übersiedeln, das wäre mir sehr sympathisch.
Es wird sich schon alles gestalten, ich hoffe, ohne all zu grossen Kraftaufwand.
Lucy wundert sich über meine Ruhe äussern Dingen gegenüber,
denn ihr passt weder mein Zimmer, noch meine Hotel-Möbel,– lauter Dinge, die ich mit Gleichmut
ertrage. In meinem grossen Hutkoffer befindet sich in verlegtem Zustand ein bezaubernder,
selten schöner vergoldeter alter Holzluster, den ich mir hier vor 2 Monaten gekauft
habe, den hoff ich bald wo aufzuhängen, als Mittelpunkt eines Zimmers, das wieder
meine Physionomie tragen soll,– geb es Gott.
Leb wol, Lieber, ich wünsch Dir gute Feiertage, – ich freu mich unsagbar auf meine
Kinder. Küss sie beide tausendmal.
Lieber verehrter Herr Doctor,
hier ist sonniger März,
Olga ist frisch u. heiter wie immer, aber ich mag sie nicht gern hier wissen,– es wird
auf die Dauer doch ein bissel öd in so einem kalten Hotelzimmer, – dagegen kommt keine
innere Kraft auf. Mein Urlaub läuft am 23. ab,– – ich bin schon ein bissel traurig, dass ich sie nicht sammt dem
Lillykind zu Weihnachten bei mir haben kann und wünsche sehnlichst, dass ihr das neue Jahr
die Umgebung bringt, die für sie gehört.– Wann werden wir Sie wieder in
München sehn? Lesen Sie nicht einmal wieder bei uns? Wie schön wär das! Kommen Sie! Kommen
Sie recht bald!!
Indessen viele herzliche Grüße!
Ihre
Lucy v. J.