Tagebuch von Arthur Schnitzler, 12. 6. 1912

12/6 Dictirt, geordnet etc.
»Bernhardi« an Secretär Rosenbaum.
Mit O. spazieren, Felder gegen Pötzleinsdorf.
Nm. gelesen und getrendelt.–
Mit O. zu Julius. Kammermusik. (Arthur Schiff, Herr Dr. Heim, Prof. Auber, Specht.) – Mozart Quintett Nr. 4, Schubert C Quintett; Beethoven 59, 3. Es war schön, aber zu viel, insbesondre da ich müd und hypochondrisch war.–
Rückblick auf die Erfahrungen vom 15. Mai: soweit das journalistische Echo in Betracht kommt. Im ganzen Verhalten: sehr liebenswürdig; anscheinend, nicht immer echt mit mehr Herzlichkeit, »Liebe« als Bewunderung . . . »Nicht stark und groß« wird öfters betont; immerhin da und dort »Größe« constatirt. Menschliche »Vorzüge« gern ins Licht gerückt, . . . »nachdenklich«, »gütig« kehrt oft wieder . . . »Süßes Mädl«, verschwindet allmälig, »weit darüber hinausgewachsen . . . « etc.– immerhin das Vorwiegen erotischer Probleme gern betont; hierin leistet Salten das hervorragendste. Auch »Liebe und Tod« – oft genug – dann »Liebe, Tod, Spiel . . . « – gelegentlich das Judenproblem – von anderm (z. B. Problem der Lebend. Stunden und dergl., Verantwortungsproblem etc.) kaum die Rede.– Die antisemitischen Blätter schweigen meist, eins (Graz) ist bemerkenswerth, weil hier ein überzeugter Antisemit mich – als großen – jüdischen Dichter gelten läßt. Bübereien wenig; etwa »Scherer« mit Carikatur, Verhöhnung Eulenbergs,– Abdruck aus Bleibtreu und – »Stauf von der March«.– Überraschend freundschaftlich Fred; klug Specht, die Manns; Kienzl und manche andre. Wedekind eine Fanfare – wohl mehr um andre zu ärgern; herzlich und dumm Bahr. Persönlich ganz unbekannte, wie meist, am wärmsten, wie K. F. Nowak, Ludwig Ullmann. Gedichte von Eulenberg (Zeit) und König (Merker).
– Überraschungen eigentlich keine. Das Echo im ganzen lauter als ich vermutet.