Tagebuch von Arthur Schnitzler, 2. 6. 1922

2/6 Brief von O. (nach langem Schweigen) recht harmloser Ton.–
Bei Prof. Lorenzoni (Schule Lilis) wegen früherer Abreise.
Besorgungen.–
Las Nm. Specht’s Buch zu Ende. Viel Überschätzung im Einzelnen. Der principielle Einwand gegen die »werthlosen Menschen« die ich mit »Vorliebe« schildre – beruht auf aesthetischen und ethischen Mißverständnissen – und gewiß auf der Befürchtung,– »zu enthusiastisch« zu sein. An thatsächlichen Unrichtigkeiten (Ltnt. Gustl Affaire u. dgl.), Schlampereien,– und kleinen Taktlosigkeiten fehlt es nicht. Ich schrieb ihm, er solle die Stelle am Schluss, wo von unverwindbaren Lebensdingen, die mich betroffen, noch streichen –
Stefan Zweig (der hübsch in der N. R. über mich geschrieben) – ich versuche ihm den Irrtum von der »versunknen Welt«, dem auch er – feuilletonistisch unterliegt aufzuklären.– Über Bahr (der von Salzburg nach München übersiedelt), Hugo und seine unleidlichen Machenschaften in Salzburg (nun widmet er die Tantiemen des »Großen Welttheaters« – der Restauration der Kirche – damit er sie kriegt u. s. w.),– über die Wyneken Bewegung,– Homosexualität etc.–
Mit H. K. spät Abends unterm Sternenhimmel auf der Wiese hinter dem Pötzleinsdorfer Friedhof gelegen ober dem Sommerhaidenweg. Es hätt eine andre – oder ein andrer sein müssen. Nachtm. beim »Kratzer«. Nach zwei Stunden werden wir meist ganz freundschaftlich mit einander.
Las zu Hause noch ein läppisches Stück (Mscrpt.) eines bulg. Arztes Kosaroff.–