mein Schatz, nachdem ich dir geschrieben, u mich zum fortgehn bereit gemacht – erscheint
Teweles persönlich u bleibt bis ½ 12 bei mir, sehr nett, und, da das
Theater (wie ich auch später von
Salus höre) sehr gut geht, in gehobner Stimmung. Über
Medardus –
Berlin –
Brahm, ohne zu einem Resultat zu kommen; über
Bahr, über Tantièmen u. s. w. Dann im Wagen (auf dem Weg Frau
Teweles; ich steige aus und wortwechsle, werde für morgen Mittag eingeladen) ins
czech. Nationaltheater; Director
Schmoranz, der eigentlich auch so aussieht, führt mich auf die Bühne u in den Zuschauerraum;
sehe eine Scene der morgigen Novität
Jan Hus – Das Stück soll fast so lang sein wie der
Medardus – ; ich spreche
Kwapil, werde zwischen Thür und Angel dem Verfasser, dem »ersten« lebenden
czechischen Dramatiker vorgestellt – wie heißt er nur –?
Jerasek glaub ich ich . . (was ist der Ruhm?! Auch ein Schnaps, wie der Enzian!) – (den wievielten lebenden
deutschen hat
er kennen gelernt bei dieser Gelegenheit?) (
Schönherr inclusive) – erfahre, daß nächster Tage die
Liebelei (Oper) gespielt wird; der »
fremde Herr« sitzt im Parket vor mir, für den
Hus costumirt. Wieder ins Hotel.
Salus, mit dem ich früh telephonirt, erscheint, wir gehen auf den
Čelakovsky-Platz, zu ihm. Die Aussicht von seinen Fenstern ist nicht so schön wie er glaubt. Er wird
sofort zu einer Kranken telephonirt; ich plaudre mit seiner sympathischen
Frau, durch Zahnweh enervirt; habe Gelegenheit, die den gynäkologischen Untersuchungsstuhl lyrisch überschattenden Lorbeerkränze und Schleifen zu bewundern, sowie der Gattin
schwarz-weißes, lang nicht geputztes Kleid. Trotzdem sind beide sehr liebe Menschen.
Es treten ferner auf: der 2 ½ jährige
Bub bei dem ich nur mäßigen Anklang finde; die
Mutter der Gattin, hinreißend jüdisch selbst für
Prag, aber gutmütig genug selbst für
Böhmisch Leipa (oder umgekehrt.) Erst nach 2 kehrte
Alusch wieder; wir diniren ganz leidlich – eine sehr eine gute Suppe, eine Kalbsleber mit
Risi ohne Bisi; zu Ehren der Schwiegermutter Rebb-Huhn; und weil der Hausherr endlich
nach Hause kam, einen »Scho – do«. – Eine neue
Literaturgeschichte wird hereingebracht, aus der ich erfahre, daß ich müd, objectiv und noch einiges
bin – ich weiß nicht was alles, da wieder telephonirt wird, u. zw. von derselben Patientin,
u ich mit dem Gastgeber das Local verlasse. Aber böse Zunge und schlechte Witze beiseite;
ich habe mich oben recht wohl gefühlt und »hab ihn gern« – was auch schon ein Citat
ist. Und nun, was du gewiß schon bemerkt hast, schreib ich dir; werde noch ein halbes
Stündchen lesen, und dann ins Theater gehen, wo eine Tragikomoedie aufgeführt wird:
»
Nichtige Menschen, oder das unmotivirte Duell« wie sich ein Kritiker einmal ausgedrückt hat . . . es kann übrigens auch ein Aff gewesen sein.
Leb wohl mein geliebtes! Küss mir die Kinder!
Dein
A.