meine liebe Liesl, über Frl
Steinsieck kann ich nicht viel aus persönlicher Kenntnisnahme sagen: habe sie nur einmal (als
Oberstin im »
Ruf des Lebens«) gesehn, da war sie gut. Die Kritik lobt sie meines Wissens, und, wie ich höre,
mit Recht. Ob sie
Wien verlassen will, weiß ich nicht; daß
München sie sehr wohl brauchen könnte, halt ich für zweifellos. Erscheinung bühnenmäßig in
jeder Hinsicht, sie gilt sogar als schön. Fach, wenn es sowas noch gibt, Salondame
mit Richtung ins Leidenschaftliche. –
Dass ich nie wieder was veröffentlichen werde, hab ich wohl nicht im Ernst geschworen;
immerhin war das, was ich diesmal an Albernheit, Verlogenheit und Lausbüberei erlebt
habe, selbst für meine Erwartungen übertrieben. Jeder Schmock war im Namen der großen
Zeit entrüstet, daß
Herbot seine brave Frau betrogen, daß der Doctor
Eckold zehn Jahre »seine Rache kaltgestellt« und daß die Schriftstellersgattin
Agnes mit einem hübschen Sportsjüngling (der überdies meist ein »Troddel« genannt wurde)
in der Sommerfrische gebandelt hat. Aber es geht noch weiter: mit
Schönherr (
Weibsteufel),
Bahr (
Querulant), zusammen werd ich (in der
Köln Ztg, Correspondenz aus
Darmstadt) als Beweis ins Feld geführt, daß
×××××××××× (Strich von mir, nicht von der Censur; – ich citire wörtlich:) »
unser trefflicher Bundesbruder in diesem Weltkrieg auch einer innern Reformation an Haupt und Gliedern bedarf, um fortan
im Geist einer deutschen Weltkultur ernsthaft bestehen zu können.« – Da kann man nur kopfschüttelnd sagen:
Immer feste druff!« Ich habe oft an deine Profezeihung denken müssen: daß ich nun einer Periode des
Beschimpftwerdens entgegengehe. Natürlich ist es letzten Endes gleichgiltig: was ich
schreibe – manches wenigstens – bleibt trotz allem! Misslicher ist schon die fast
systematische Verfälschung meiner literarischen Physiognomie, die sich natürlich auch
in die »approbirten« »Literaturgeschichten« einschleicht; – man möchte manchmal gern
weniger berühmt und besser verstanden sein. – Im übrigen arbeite ich weiter. – Gestern
wieder mal eine Vorlesung im
Volksheim vor überfülltem Saal und mit übertriebenem Erfolg; – die siebente Vorlesung seit
Kriegsbeginn zu wohlthätigem Zweck. Im Jänner soll ich in
Zürich (auch für einen solchen Zweck –
oesterr. Hilfsverein) lesen; – aber an der Grenze soll es nicht sehr erquicklich zugehen,
und so überleg ich’s mir. Hoffentlich bleibt’s aber bei der Reise nach
Partenkirchen – und wir wünschen dich dann schon ganz erholt und wohlgelaunt anzutreffen.
–
Paul Apel hat mir sein neues Stück geschickt, »
Hansjörgs Erwachen« – meine Bedenken dagegen in voller Aufrichtigkeit auszusprechen war mir umso schwerer,
als er auch materielle Hoffnungen an einen Erfolg zu knüpfen scheint; – aber wäre
es freundschaftlicher gewesen ihm was vorzulügen? – Was hört man von
H. Mann? Daß der
Eins. Weg kein Glück gehabt hat, thut mir um
Ziegel’s willen leid; – weißt du, wo das Stück bisher rein bühnenhaft am stärksten gewirkt
hat? In
Prag, (in einer verhältnismäßig doch recht mittelmäßigen Aufführung) – wo man sich aber
entschlossen hatte (da es an der nötigen »Geistigkeit« fehlte), – es als »spannendes
Theaterstück« zu spielen. Ein guter Regisseur müßte die beiden Elemente zu vereinigen,
gegeneinander abzustimmen verstehn. –
Der Brief an die
Ritscher erklärt sich selbst. Es handelt sich natürlich um eine
Wahnsinnige. Eine wahnsinnige Familie sogar. Ich bekam vor Wochen schon ein Telegramm ähnlicher
Art (ich solle dafür sorgen, daß die
K.d.W. in
München nicht aufgeführt werde – drohende Katastrophe etc), – und
Thimig bekam von dem Vater (
Jeuthner) einen 8 Seiten langen total wahnwitzigen Brief, ungefähr des Inhalts wie der an
die
Ritscher – auch sehr charakteristischer Weise mit mehr oder minder versteckten antisemitischen Tendenzen – eine Atmosphäre die ja für das Aufblühn
von Irrsinnsfällen a priori sehr günstig zu sein scheint. Natürlich besteht keinerlei
Anlaß, auf all das zu reagieren. –
Schön war die deutsche Reichstagung.
Bethmann sowohl als
Scheidemann. Aber was sagt man zu den Commentaren und Erwiderungen der feindlichen Blätter? So
ist noch immer kein Ende abzusehen. Auch gewöhnt sich die Welt allmälig gar zu sehr
an den ungeheuerlichen und Ungeheuern Fiebertraum dieser letzten anderthalb Jahren.
Und die Entscheidg, d. h. das letzte Wort über Krieg und Frieden haben die Kiebitze
– nicht die Spieler. Die Kiebitze, die ohne erhebliches Risiko nebstbei die Chance
haben, zu gewinnen. Dass einer meiner
Neffen in
Bulgarien (Feldspital), der
andre vorläufig noch bei der Batterie in
Wr. Neustadt ist, hat dir wohl
Olga schon geschrieben. Die liegt heut, mit einem sehr leichten Schnupfen zu Bett, ich
geh in ein Concert (
Mildenburg –
Carreno) – was ich, allein oder mit Olga 1–2 mal die Woche thue. Theater viel seltener. Neulich
in der
VolksbühneFlaubert –
Sternheim,
der Kandidat. Nur Linie (diesmal keine sehr originelle) – keine Plastik – und von Luft überhaupt
keine Spur. Die »
Hose« find ich ja ein Meisterstück. Aber der Weg
St.’s führt nicht, wie die
Blei’s verkünden, zur großen Komödie sondern zum Marionettentheater. Habe nichts dagegen.
Bin überhaupt nur gegen Falschmeldungen.
Und nun leb wohl, liebstes Kind, und laß bald hören, daß du dich in
Partenkirchen behaglich eingewohnt und guter Dinge bist. Und grüß mir den
Primaktör, wie’s im Norden heisst, der einen gelegentlich durch ein Kärtchen erfreuen könnte.
Tausend Grüße.
Dein
Arthur