Adele Sandrock an Hermann Bahr, [um den 4. 2. 1895?]

Lieber guter Hermann.

Siehst Du mein Freund – daß Verhängniß ist doch stärker als ich – bis gestern habe ich mich mit einer übermenschlichen Kraft aufrecht zu erhalten versucht – heute Nacht bin ich erkrankt – ich kann nicht mehr – ich fühle meine Ohnmacht – mein Herz ist vollständig gebrochen! – hätte ich dem Mann sein Liebstes gemordet – er hätte mich nicht mehr strafen können – was ich durch ihn diese Tage gelitten ist reichlich reichlich – tausendfach vergolten! – Gebe Gott – und stündlich bitte ich ihn darum – daß es Deinen unermüdlichen Versuchen gelingen wird mich wieder mit ihm zu versöhnen, so viel weiß ich aber schon heute – gut – geht diese Sache nicht aus – ich habe so haarsträubend viel gelitten im leben – jetzt muß für mich eine Zeit der Freuden kommen – und – ist der Mann, den ich doch so haarsträubend liebe – dem ich zu Füßen lag wie ein treuer Hund – nun durchaus nicht zu versöhnen – dann soll er nur trotzen aber mich treibt er dann in den Todt. Ich kann nicht so daß Liebste hergeben ohne ein Wort reden – sagen zu dürfen – ich bin ja halb wahnsinnig ich bin ja nicht mehr zurechnungsfähig – Hermann verlaß mich nicht – – stehe mir bei – ich bin schwer erkrankt – – – was ist aus mir geworden? –
Ich bitte Dich zeige den Brief nicht dem Arthur–!
Ich grüße Dich innig
Deine ewig ewig dankbare
Dilly
Verbrenn sogleich den Brief.
Hermannhilf mir – ich bitte Dich.
Schreib mir zwei Worte des Trostes.