vorgestern sprach ich
Artur Schnitzler und regte Ihren Wunsch an: auch er ist meiner Meinung, dass es jetzt nicht opportun
sei, solange nichts über die Fakten bekannt ist, zu intervenieren, wenigstens direct.
Was
im Unterrichtsministerium, dem ich durch
Thadeusz Rittner die Beachtung des Falles empfahl, geschehen ist, weiss ich noch nicht: ich berichte
Ihnen sofort sobald ich Antwort habe. Gestern sprach ich auch
Kvapil, er als Slave kann natürlich am wenigsten tun. Die Situation ist eben sehr erschwert durch die Tatsachen dass
V.s Bruder in hoher
montenegrinischer Staatsstellung ist, er selbst ein
Gedicht verfasst und öffentlich recitiert hat, das den
Serben den Weg zum Meere wies – ich muss sagen, dass die Regierung jetzt in einem so lebensgefährlichen
Augenblick solchen suspecten Anzeichen gegenüber vorsichtig sein muss. Meine Meinung
ist da unerschütterlich, dass so wie im Frieden für einen Gerechten ganz Sodom verschont
werden solle, im Kriege für einen politischen Sodomiter fünfzig Unschuldige verhaftet
werden mögen: was
Österreich durch Spionage in seinen militärischen Actionen Erschwerungen und Gefahren erlitt ist
unabsehbar: jeder, der aus den
russischen Kämpfen zurückkehrt meldet es mit Grauen. Sie wissen vielleicht von mir, lieber verehrter
Hermann Bahr, dass Stärke – leider! – nicht meines Wesens Wurzel ist, aber gegen eine
solche Gefahr
muss man grausam sein und wir sind es vielleicht noch immer nicht genug. Ich weiss und
weiss es jetzt mehr als je – wie viel könnte ich Ihnen erzählen! – was in diesen Grenzgebieten
versäumt wurde, aber jetzt hilft kein Anklagen vergangener Dinge, keine Curen mit
sanften Compressen, jetzt muss, solang der Krieg dauert, mit dem heissen Eisen alles
Unreine ausgebrannt werden. Ihre Action und die ihr entsprungenen Bemühungen haben
sicher genügt, das Leben
Vs sicher zu stellen, die Tatsache ob er in
Ragusa oder
Arad sitzt ist ja geringer zu werten. Immerhin bemühe ich mich weiter,
Hofmanstal bin ich allerdings zu ferne und erhoffe mir auch nichts von seinem Willen zur Intervention:
ich glaube
V. wird sein kleines Leid jetzt noch die Wochen oder Monate tragen müssen, wo das Millionenleid
ganz
Europas dauert. Ich bleibe lebhaft bemüht ihm Hilfe zu schaffen: misslingt’s, so fällt sein
Geschick eben zurück in die Fülle des Unabwendbaren, dessen Flut jetzt ganz
Österreich, die ganze Welt überströmt, jede Schwelle netzt und bis zu den letzten Stockwerken
emporsteigt. Treulichst