Liebes, eben bin ich erwacht, es ist herrlich draussen, der Blick von meinen Fenstern in
den
Mirabellgarten ist wunderschön, – nun will ich dir von gestern erzälen.
Gleich morgens hab ich
Gretl K. besucht, die nur durch ein Zimmer getrennt, neben mir wohnt, sie liegt zu Bett, selig
über ihre neue Liebe, ein Packet von Liebesbriefen neben sich, die sie mir stellenweise
vorlas, –
wirklich schöne Dinge sagt ihr dieser
Gütersloh. Er kommt Samstag her, – sie werden bald heiraten, – in
München leben.
Dann ins »
Landesbildungsamt«, – das am andern Ende des Ganges ist, –
Paul Prechner 24 Jahre alt, Freund von
Lili und
Gerty, – ich wurde mit grossen Ehren empfangen! Er erzälte mir gleich sehr offen und sehr
lieb von seinen Plänen, seinen Schwierigkeiten, – kein Geld, antisemitische Angriffe,
natürlich, – wir kamen gleich in ein sehr gutes Gespräch voll Sympathie. Von ihm hängen
hier die Aufenthaltsbewilligungen ab,–
ich kann nicht verhehlen, dass es mir woltat, so einen jungen, idealistischen, frischen und hellen Menschen in einer entscheidenden Position zu sehen, – a
n Stelle eines vergrautelten alten Bureaukraten.
Er schlug mir gleich 2 Abende hier vor, am Dienstag d. 16. und Freitag d. 19. Aug. – im kleinen, sog.
Wiener Saal des Mozarteums, erst ein rechtes leichtes Volkslieder-Programm, ich werde wol
Schumann,
Schubert,
Brahms-Volkslieder singen, – und als 2. Programm mein
e deutsche
n Programm, das ich ja hier ausprobieren will, was ich ihm offen sagte. Er will auch
ev. ein Concert in
Hallein geben. Das war alles im Handumdrehen gemacht! und kostet gar nix. (
Paumgartner hat mir hier einen glänzenden Ruf gemacht, – hör ich von allen Seiten.
Den liebt hier alle Welt, – er kommt in wenigen Tagen.)
Dann ging ich in’s
Mozarteum zu Fr.
Sedlitzky, die
Lili Lehmann hielt eben Curs, und eine schöne hohe Sopranstimme sang mit aller Kraft (mit zuviel
Kraft, schien mir’s= eine Arie.
Sedlitzky ebenfalls sehr liebenswürdig, ich kann von heute an im
Mozarteum üben, u. 7. im grossen Concertsaal einstweilen – am 31. hören die
Lehmann-Stunden, die das ganze Haus erfüllen, auf, da hab ich dann die Schulzimmer frei.
Herrlich! nicht? heut um 10 Uhr fang ich an.
Harta hab ich noch getroffen, aber
Grosz erzälte mir schon, dass er im
Wassermann einen modernen Abend mit
Debussy –
Ravel etc. machen will. Das wären also
4 Concerte, ohne den von
Paumgartner projectierten Schüler-Abend.
Im
Mirabell gegessen, köstlich, Schweinsbraten mit gutem Kraut, ausgedünstete Nudel, wie im Frieden,
26 Kronen gebraucht,– Baumeister
Sikora kam, setzte sich an meinen Tisch, er war über den Tag hier,– die
Annie ist leider schon weg,– aber am 1. Jänner wird
Strial hier Theaterdirector!
Metzl,
Otti’s Bruder.–
Salten kommt heute hieher,– Frau
v. Sonnenthal hatt ich auch schon gesprochen
am Abend meiner Ankunft aus der
Aschau Anruf von
Margit, bei
Stefan Zweig mich telef. gemeldet,– er war in
Berchtesgaaden, seine
Frau sehr nett. Bei
Bahrs melde ich mich heute, will die
Mildenburg bitten, bei ihren Cursen zugegen sein zu dürfen, sie hält sie zuhause ab.
Nachm. durch die wundervolle sommerliche, ganz
italienisch anmutende Stadt,
der Obstmarkt mit köstlichen Trauben und
Birnen! – Auf die
Festung, besonders klarer Blick, ich ging in die
Camera obscura, – (Erinnerung an
Kopenhagen,) dann wirklichen Kaffee getrunken, nachhause, an
Unruh geschrieben, gefaullenzt, genäht, langer Tratsch vor dem Nachtmal an
Gretels Bett, sie hatte mir am Tag vorher einen Brief geschrieben. Bitte schick mir alle
meine Briefe, – der von
Firnberg ist mir besonders wichtig. Nachtmal hier im Hotel, anständiges Menü um 16 Kronen,
Suppe, Lammsbraten und Spinat und Kartoffeln, Apfelschnitten. Auf dem Pöstlingberg kostete ein gutes Rindfleisch mit Kohl
4 Kronen!
Sikora’s lassen ihre
Wiener Wohnung auf, haben wegen Heizmaterial nicht die geringste Sorge und bleiben in
St. Gilgen, – eine ganze Anzal von Leuten hat sich dort zuständig erklären lassen und verbringen
den Winter dort.
Nun leb wol, mein Liebes, jetzt bestell ich mir mein Frühstück, Thee Eier, Butter,
(Portion, sehr gross, 3 Kronen) dann anziehen, nach der Kranken
Gretel sehen, – und an die Arbeit!
Heut rede ich mit dem
Hotel-Director, er muss mir Preise machen. Das Zimmer zu 14 Kronen ist für hiesige Begriffe teuer.
Die
Gretel zahlt für das ihre mit Bad, allerdings läuft kein warmes Wasser, – 18 Kronen, – per
Mahlzeit 12 Kronen! Ich will hier sparen.
Bitte, schreib mir, wie’s dir geht, – ich könnte hier sehr ruhig sein, wenn ich wüsste,
dass Du wieder in’s Arbeiten kommst. –
Prechner sprach mit so viel Liebe von dir, – ich erzälte ihm von deiner
Medardus-Vorlesung im
Volksheim. Das möcht er hier auch haben!
Leb wol, küss die
Kinder tausendmal.
Innigst Dein
O.