Arthur an Olga Schnitzler, 11. 1. 1928

Wien, 11. 1. 1928

liebe, ich habe für dich u. in deinem Namen an die Finanzkasse Baden Baden zusammen 991.70 M. überweisen lassen; die Bestätigung wird von dort an dich gelangen und ich bitte sie mir gelegentlich zuzusenden. –
Gestern hatt ich Paul Goldm zu Tisch bei mir; er war zu der Première seines Einakters am Akademietheater »herbeigeeilt« ich habe erst die zweite Vorstellung gesehn, man gab eine Neubearbeitung von Amphytrion dazu, recht klobige Übersetzung von Rumpf; – das Stück von P. G. ist kaum recht discutabel, und es war interessant wenn auch nicht überraschend wie der gestrenge Kritiker, dem weder Hauptmann noch ich gut genug sind, befremdet und sichtlich gekränkt war, als ich ihm (recht mild) meine Meinung über seine Komödie sagte. Nun hat ers erreicht, mit 62, – dass er aufgeführt wurde – und mit welchen Mitteln, die ihm bei andern ziemlich minder erschienen wären! Der »Hauptschuldige« ist Fel. S. (der dann zum schwarzen Kaffee bei mir war) – dem das Stück noch lächerlicher erscheint als mir (Graziano), – der aber bei Herterich die Aufführung befürwortete u durchsetzte. (Der Gang zum Weiher war Goldm. nicht einmal dem Namen nach bekannt – wie S. Fischer die Frau des Richters. – ) – Und immer wieder ist es erstaunlich, mit wie wenig auch die überheblichsten sich zufrieden geben, und wie geschwind sich auch die stolzesten tun den kleinen Finger wickeln lassen. Übrigens hat er, ich meine P. G., es gewiss nicht leicht. Ungeheure Arbeit und ein ganz unzureichendes Gehalt. – Enzian war zwar kein Gedicht aber wenigstens ein Schnaps; »Es ist mein Wille« ist zwar kein Stück – aber auch kein Schnaps, sondern höchstens ein Schlafmittel. –
Ich meinerseits höre natürlich nichts von Herterich; auch sonst nicht viel, und der trägste gleichgiltigste ist wie immer S. F. Einzelheiten zu langweilig. Demnächst spreche ich Strnad in Angelegenheit der Bühnen-Else; – hier seh ich eigentlich die einzige erhebliche materielle Chance für die nächste Zeit. Nächste Zeit? – Im übrigen bin ich ziemlich fleißig – schreibe an meinen zwei Stücken (»aus einer versunkenen Welt« – ) »flott« wenn man so sagen darf weiter; – eventuell (wenn F. S. mich protegirt) erreich ich doch eine Aufführung. – Außerdem schreib ich an zwei Novellen; und hätte nicht wenig Lust, mich ernstlich mit zwei andern Stücken zu beschäftigen. Die Kunst ist lang und kurz, immer kürzer ist unser Leben. –
Nun sind Lili u Arnoldo schon wieder mehr als acht Tage fort; es waren schöne Tage und ich denke beide haben sich sehr wohl gefühlt. –
Den »Kirbisch« von Wildgans mit sehr viel Interesse gelesen; ich glaube niemand hat in deutscher Sprache solche Hexameter geschrieben – auch Goethe und Hauptmann nicht – soweit es eben auf die Hexameter ankommt. Sehr viel schönes in dem Epos, auch von dem überraschend gelungnen Versmass abgesehn. –
Hingegen ein Roman von Bahr – »der inwendige Garten« – – zur Erklärung dieser widerlich-pfäffisch-schlampigen Thadädelei müsst ich mich wieder ins pathologische begeben; – denn so dumm und verlogen kann ein immerhin außerordentliches – auch schriftstellerisches – Talent normaler Weise nicht sein, wie Hermann der Barocke in diesem Roman herauskommt. –
»Paracelsus« von Gundolf (er wollte mirs, zum Dank für die Spr. u B. persönlich schicken; aber ich hatt es von Heini zu Weihnachten bekommen.) Welche Reinheit u Einfachheit der Darstellung; hier fehlt das leise-manieristische das ich im Caesar stellenweise gefunden habe. – Und du hast nichts dagegen, dass ich den Kaiser Friedrich zu lesen anfange, der noch bei mir liegt?
Dr Bill hat mir vor wenigen Tagen im Namen von Frau Ditta Schn, telefonirt, dass du von etlichen günstigen Abschlüssen berichtet hast. Erzähl mir gelegentlich direct davon mehr. – Wer ist dieser jugendliche Bräutigam Lucy’s? – (Den Geist im Wort hab ich ihr geschickt.)
– »Wetterstein« kam mir seinerzeit verbohrt und stupid vor;– den Rhythmus, der mehr dogmatisch als geistig; mehr theatralisch als dramatisch ist, spürt ich wohl. Genie, Hysterie und Paranoia (auch viel verbreiteter als man ahnt – halte das nur für keine fixe Idee von mir!) – Pamela, stand in der Zeitung, wird Sternheim heiraten. »Auf dein Kind bin ich gespannt.« (Zu dieser jüdischen Pointe ist die Anekdote noch zu erfinden.) – Karin ist nur niedlich einer- und zu edel anderseits. Sie stellt eine der Figuren vor, gegenüber denen ich mit Vergnügen ungerecht bin. Wie hinwider Chapiro eine derjenigen, denen gegenüber ich mit Mißvergnügen gerecht bin. Ich glaube nicht dass es allen Suppen wohl ist, auf denen er Schnittlauch ist. – Was du mir über die communistische Ministersgattin schreibst, fügt sich ungezwungen in das Bild, das ich seit langem von dieser infamsten Lügengesellschaft aller politischen Schwindelzeiten habe. »Weil ich ein Lump bin« – dieses Wort des unvergeßlichen Wilhelm H. – könnten sie alle im Wappen führen. –
Herr Robert Blum, Abgesandter von Gemier (der mir auch direct schrieb), war bei mir. (Einen »düstern Lügner« nannte ihn die Hofrätin mir gegenüber. Ich fand ihn nicht düster.) Gemier hat, sie schwören es beide, die ernstesten Absichten. Besonders denkt Gemier an Bernhardi, weil er ihn nicht kennt. Ich schlage vor Liebelei, und dazu entweder Literatur oder Comt Mizi. (Und im übrigen ist es egal.) – Therese geht dieser Tage ans Berl Tgbl. ab. Meinen Honorarvorschlag haben sie – vorbehaltlich der Annahme acceptirt. Aber ich müsste das Buch bis Weihnachten 28 aufschieben. – Drei Interviews, ein holländisches, ein amerikanisches und ein australisches hab ich in dieser Woche abgelehnt »und kenntet Ihr mich mehr«. –
Ich sende dir resp überweise dir heut auch einen kleinen Betrag, den ich dich bitte als gleichfalls kleines Geburtstagsgeschenk anzunehmen. Ich wollt’ es wäre mehr, auch um meinetwillen. Und tausend gute innige Wünsche send’ ich dir dazu. – Schreib bald und mehr und öfter.
Arthur