E. M. Kafka an Hermann Bahr, 12. 8. 1891

Brünn, 12/August 1.

Lieber Freund,

ich möchte bei Ihnen anfragen, ob Sie nicht in der Laune wären, einen kleinen Aufsatz über »Moderne Schauspielkunst« für die »M. R.« zu schreiben, für eines der nächsten Hefte, – und was ist denn mit den »Wüstlingen«? – Oder hätten Sie etwas anderes für uns? – Gutes, keine alte Anekdote, wie letzthin »Die schamhafte Gräfin«, deretwegen eigentlich Sie sich zu schämen hätten.
Wenn kommt denn »Die russische Reise«? Damit ich wieder einmal über Sie schreiben kann.
Wie gefiel Ihnen J. J. David’s »Hagars Sohn« in Heft V. VI. VII. VIII. der »M. R.«? Es interessiert mich dies aus dem Grunde, weil bei vielen Leuten aus unserem Kreise des Wunsch besteht, dass man die Wiener Freie Bühne damit eröffne.
Übrigens – wären Sie nicht vielleicht im Stande, bis zum Herbste, ein Stück zu schreiben, mit dem wir beginnen könnten? – Für die Folge hätten wir deren einige, (U. a. das ganz ausgezeichnete »Märchen« von Arthur Schnitzler’s) – nur womit anfangen, das ist die Frage.
Vorläufig ist nur allein »Das Friedensfest« ernstlicher in Aussicht genommen.
A propos, darf ich Sie als Mitglied unserem Vereine anmelden? Ich bin gegenwärtig auf Urlaub, leider krank dabei und zu Bette. Eine Mastdarmfistel trieb mich zur Operation.
Mit herzlichem Grusse
EMKafka